Spitze Federn in der Amtsstube

Gemeinsam mit meinem Kollegen Frank Döring habe ich einen Artikel über die witzigen Pressemeldungen der Polizei Leipzig geschrieben. Der Artikel erschien heute, am 13. Oktober 2007, in der Leipziger Volkszeitung. Die Links im Text habe ich hinzugefügt.

Pressemitteilungen von Behörden und Institutionen zählen nicht unbedingt zu jener Art Lektüre, die junge Menschen üblicherweise verschlingen. Dröge und kryptisch ist noch das Freundlichste, was man der gemeinen Amtsprosa nachsagt. Nicht so im Fall der täglichen Pressemitteilungen der Polizeidirektion Leipzig. Diese sind mittlerweile unter Leipziger Bloggern Kult geworden, werden im Internet in Weblogs rege zitiert und verlinkt.

„Sturmhaube macht nicht unsichtbar“, „Honda jetzt HonWeg“, oder „Cannabis als Vogelfutter“ – mit solchen Schlagzeilen machen die Mitarbeiter der Pressestelle täglich ihre Berichte auf, die nicht nur per E-Mail an einen riesigen Presseverteiler versandt werden, sondern auch im Internet nachzulesen sind. Dort ist dann etwa von einem „warm angezogenen“ Dieb die Rede, der gleich zwei Anzüge unter seiner Bekleidung aus einem Geschäft tragen wollte. Oder von Wildschweinen, die sich „pflichtwidrig von der Unfallstelle entfernten.“ Auch „friedliche Gartenzwerge“, die „attackiert“ wurden, waren schon Gegenstand der Berichterstattung.

Die saloppe Schreibe sprach sich unter Betreibern von Weblogs schnell rum. Marcel Nowicki beispielsweise empfahl seinen Lesern bereits im Januar die humorige Website. „Diese unfreiwillige Komik hat mich fasziniert, das musste ich einfach weiterverbreiten“, so der 26-jährige Systemadministrator. Auch Florian Treiß, Leipziger Journalist und Blogger, amüsierte sich köstlich über die „Polizeiprosa“ und schrieb: „Subtil formulieren sie eine Mischung aus bestem Amtsdeutsch und hübschen Kalauern. Wer kennt bitteschön eine Polizeipressestelle, die sprachgewandter ist als die Leipziger?“ Die Macher von Heldenstadt.de, einem Leipzig-Blog mussten ebenso schmunzeln und veröffentlichten Auszüge aus den witzigen Pressemitteilungen. Betreiber Guido Corleone: „Wenn die Polizei nun noch anfängt zu reimen, hätte das fast schon Wilhelm Busch’sche Qualitäten.“

Ein Kult war geboren. Was fehlte, war ein so genannter RSS-Feed. Der ermöglicht es, Artikel auf Websites auch über das Mailprogramm oder spezielle Reader zu lesen, ohne die jeweilige Internetseite anzusteuern. Das veranlasste Torsten Baldes von der Medienagentur Medienfreunde, für die statische Website einen solchen Service anzubieten. „Ich habe den Dienst eines Fremdanbieters dazu genutzt, weil mich die Nachrichten interessiert haben. Die saloppe Formulierung der ernsten Themen ist sehr unterhaltsam“, sagt er.

Die unverhofften Kultstars in der Pressestelle der Polizeidirektion zeigen sich hocherfreut über die Resonanz auf ihre Schaffenskraft. „Es ist doch schön, wenn dies auffällt“, sagt etwa Polizeikommissar Andreas Loepki. „Deshalb lassen wir uns ja auch jeden Tag etwas Originelles einfallen.“ Sein Kollege Andreas de Parade pflichtet bei. „Mit einer lockeren Schreibweise und einer knackigen Überschrift kann man auch eine Geschichte interessant machen, die auf den ersten Blick eher banal erscheinen mag“, hat der Polizeioberkommissar festgestellt. Polizeioberkommissarin Silvaine Reiche berichtet: „Das ist schon manchmal ein richtiger Wettstreit unter uns, wer die beste Überschrift hat. Natürlich wägen wir jedes Mal sehr genau ab, bei welchem Fall Ironie oder eine flotte Schreibe angebracht sind.“ Denn Berichte über Unfälle mit Verletzten beispielsweise oder über Opfer von schweren Straftaten werden bei allem Bemühen um Originalität weiterhin in der gebotenen Ernsthaftigkeit verfasst.

Im Mittelpunkt der Pressearbeit stehe stets die Information, betont Mario Luda, der als Leiter des Direktionsbüros die Öffentlichkeitsarbeit betreut. „Als bürgernahe Polizei wollen wir diese Mitteilungen auch klar und deutlich artikulieren“, erklärt der Polizeirat. Die bei Polizeidienststellen normalerweise gepflegten Begrifflichkeiten seien da „nicht immer verständlich“. Mithin bemühe man sich inzwischen um eine „junge und frische Art“ der Präsentation. Luda nennt dies „proaktive Pressearbeit“ – ganz ironiefrei.