Braumeister Möllers missglückter Selbstmordversuch


Taucha. Am Sonnabend begann eine neue Veranstaltungsreihe des Tauchaer Kunst- und Kulturvereins (Kukuta): eine Nachtwächtertour mit Jürgen Ullrich. Dieser hatte bereits zur KulTour im Mai den Nachtwächter gegeben und auf einem Rundgang allerlei Wissenswertes aus der Geschichte der Parthestadt erzählt. So ging es in anderthalb Stunden auf eine interessante, teils amüsante Reise durch den inneren Stadtkern.

Es hat schon etwas Komisches, wenn ein kräftiger Mann im grünen Umhang und mit Laterne in der Hand zu einer kleinen Tröte greift, in diese bläst und einen Ton entstehen lässt, der klingt wie aus einem Disney-Comic. Doch das gellende Tuten vor der Sparkasse sollte den 43 Teilnehmern signalisieren, dass die Nachtwächtertour startet. Viermal jährlich soll diese ab 2009 stattfinden. Zu Beginn der letzten Tour in diesem Jahr stellte sich Jürgen Ullrich als Johann Christoph Meißner vor. Der war einst tatsächlich Tauchas Nachtwächter und hatte als wichtigste Aufgabe, das Licht in den Häusern zu löschen, um die Stadt so vor Bränden zu bewahren. „Viele Leute ließen vor allem im Winter Kerzen und Öllampen brennen oder hielten die Glut im Küchenofen über Nacht. Bei den Holzhäusern im Mittelalter sehr riskant“, so Meißner alias Ullrich.

Auf der Parthebrücke war die zweite Station. Ullrich erzählte, dass die heute eher ruhig dahin fließende Parthe früher ein Strom mit mehreren Armen war. Um 1570 gab es sogar einen Fischer in Taucha, der seinen Lebensunterhalt ausschließlich damit bestritt. Tragisch die Geschichte des Braumeisters Möller, der 1635 einen zwar wohlschmeckenden, aber Bauchschmerzen verursachenden Schnaps brannte. „Schnell wurde ihm nachgesagt, er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Möller wurde daraufhin von allen gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen. Das schlimmste war, dass er nicht an der Weihnachtspredigt teilnehmen durfte. Darum wollte er sich von der Parthebrücke stürzen, was aber misslang. Möllers Mantel verfing sich am Geländer, er blieb kopfüber hängen und wurde am Folgetag erfroren gefunden“, berichtete Jürgen Ullrich.

Auch der Standort des einstigen Leipziger Tores mit dem fast schon in Vergessenheit geratenen Wendestein war ein Ziel. „Am Wendestein mussten Verurteilte einen Schwur ableisten, keine Rache an der Stadt zu nehmen. Danach wurden sie verwiesen“, so der Nachtwächter. Auf dem anschließenden kurzen Weg zum Markt zeigten sich Ute und Rolf Müller aus Zweenfurth bereits begeistert von der kulturellen Nachtwanderung. „Wir waren vergangenen Sonntag zu einer Veranstaltung im Schloss und hörten von der Tour, das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Und bis jetzt gefällt es uns wirklich gut“, sagte das Ehepaar. Am Markt kramte Jürgen Ullrich noch einmal tief in der Geschichte. So wusste er zu berichten, dass hier einst ein Siegesdenkmal mit dem Abbild der Göttin Germania in Gedenken an den deutsch-französischen Krieg stand. Zum Gasthof Goldener Löwe, der an der Stelle des heutigen Rosshofes stand, gab es die Anekdote „von der Dienstmagd Dorothea Müller, die 1724 ihr Neugeborenes erstickte und es im angrenzenden Kuhstall vergrub. Urteil: Tod durch Ertränken. Doch sie wurde begnadigt, was damals aber keinem Freispruch gleichkam. Statt des qualvollen Todes im Wasser wurde sie mit dem Schwert geköpft. Das geschah 1725, zugleich die letzte bekannte Hinrichtung auf Tauchas Markt.“

Ebenfalls Infos zur Historie gab es in der Brauhausstraße, an der Kirche St. Moritz, in der Grünen Gasse und am Weinberg. Nach einem begeisterten Applaus der Teilnehmer wärmten sich diese im Café Esprit auf, wo Verleger Dieter Nadolski mit Gedichten und Geschichten über sächsischen Wein wartete. In Erinnerung bleiben wird die Wanderung auch bei Gisela und Stefan Geyer aus Effeltrich bei Forchheim. Das Ehepaar war bei Freunden in Taucha zu Gast und schloss sich spontan an. „Wir haben sowas schon mal in Würzburg mitgemacht und wurden auch hier nicht enttäuscht“, sagten sie.

Erschien am 6. Oktober 2008 in der Leipziger Volkszeitung.