Analog Musik hören: „Eine der schönsten Sachen der Welt“

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Taucha. Sammelleidenschaften gibt es viele. Der eine interessiert sich für Briefmarken, andere finden Zollstöcke spannend und wieder andere haben hunderte Kaffeetassen im Schrank. Hifi-Geräte der 80er-Jahre stechen da allerdings noch etwas heraus. Steffen Willmer hat sich solchen Geräten verschrieben und einige Raritäten vor dem technischen Verfall gerettet.

Bandmaschinen, Kassettendecks, Tuner, Verstärker, Plattenspieler. Wer den Bastelkeller von Steffen Willmer betritt, fühlt sich um mindestens 20 Jahre zurückversetzt. Wie ein kleines Privatmuseum mutet die Sammlung an, die der 45-Jährige im Laufe der Jahre zusammengetragen hat. „Ich habe mich auf die Hifi-Technik der frühen 80er Jahre spezialisiert und vor allem auf Gerätegenerationen, die wichtige Punkte meines Lebens markierten. Also etwa den Schulanfang oder die berühmte Sturm- und Drang-Zeit“, schmunzelt der Familienvater und führt weiter aus: „Damals, in der DDR, gab es diese Dinge nicht zu kaufen oder sie waren zu teuer. Heute bekommt man vieles bei Privatleuten und über das Internet.“

Unter seinen Schätzen, die Willmer hegt und pflegt, finden sich wahre Raritäten. „Das hier beispielsweise ist ein Exemplar der ersten auf der Welt erhältlichen CD-Player, ein Sony“, sagt der Sammler und zeigt auf ein anthrazitfarbenes Gerät. Der CDP-101 sei 1982 gebaut und in „fürstlichem Zustand“. Als er auf den Markt kam kostete der Spieler rund 2400 D-Mark. Willmer bekam ihn vom Erstbesitzer, nebst allen Unterlagen und Kassenbon. „Dazu habe ich noch eine der ersten CDs – das Album 52nd Street von Billy Joel“, sagt er. Denn zeitgleich mit Erscheinen des CD-Players brachte Sony die ersten 50 Silberlinge heraus, darunter besagtes Album.

Noch mehr Leuchten in den Augen bekommt der Sammler und Bastler aber, wenn er von seinem Revox Kassettendeck spricht. „Das hat vier Motoren zum Bandvortrieb und zählt damit noch heute zu einer Rarität.“ Ein Mikrocomputer habe bereits 1982 dafür gesorgt, dass die Motoren optimal aufeinander abgestimmt sind. „So werden die besten Aufnahme- und Abspielwerte erzielt, ein echtes Spitzengerät“, schwärmt Steffen Willmer. Auch ein Spulentonbandgerät von Akai begeistert ihn: „Das hatte damals schon Autoreverse, kann also wie ein modernes Kassettendeck in beiden Richtungen wiedergeben und aufnehmen – und das in perfektem Hifi-Klang.“
Zu allen Geräten hat Willmer die kompletten Service- und Bedienungsanleitungen, Schaltpläne, Zubehörkataloge und Fachzeitschriften mit Besprechungen und Vorstellungen der technischen Meilensteine. Die braucht er auch, denn der Tauchaer, der in einem großen Unternehmen als Servicetechniker arbeitet, sammelt die Geräte nicht nur, sondern repariert sie auch. „Ich befasse mich gern mit der alten Technik, die meist lange Jahre gestanden hat. Meist sind es nur Kleinigkeiten, die man mit gekonntem Griff beheben muss, um den Stücken wieder Leben einzuhauchen“, sagt er. Wenn sich Steffen Willmer also wieder einmal mit einem geheimnisvollen Karton in den Keller zurückzieht, weiß seine Frau Angela: „Das kann spät werden. Aber das ist kein Problem, es ist sein Hobby.“

Zum Bastler wurde Willmer schon in der Kindheit. „Mein Vater hatte ein Tonbandgerät und ein Mikrofon. Ich fand das damals spannend, mich selbst zu hören. Von da an wollte ich wissen, wie es technisch funktioniert, las mir verschiedene Dinge an und begann, mit dem Lötkolben zu hantieren“, erinnert er sich. „Das macht mir Spaß, vor allem, wenn man Geräte wiederbelebt, die andere längst abgeschrieben haben“, erklärt er und vergleicht sich mit „den alten Herren, die sich mit 60 Jahren eine Harley Davidson kaufen und so ihren Jugendtraum leben. Ich mach das eben auf diese Weise.“

Derzeit ist der Technikfreund dabei, einen Teil des Kellers zum Schauraum auszubauen. „Hier kommen Regale hin, die baue ich auch selbst. Dann kann ich endlich meine Geräte ordentlich präsentieren und auch Bänder, Kassetten und Zeitungen unterbringen, die bislang in Kartons ihr Dasein fristen“, freut er sich.

Und dann hat Steffen Willmer vielleicht auch Zeit dafür, die „Analog-Philosophie“ zu leben. Die hat er teilweise selbst definiert und auf Papier verewigt: „Analog Musik hören ist wie Ferrari fahren: teuer, unvernünftig und unzeitgemäß. Aber es hat Stil. Den Stil, sich die Zeit zu nehmen, in Ruhe eine Schallplatte oder ein Tonband zu wählen und der Musik genießerisch zu folgen. Mit anderen Worten: Analog Musik hören ist eine der schönsten Sachen der Welt.“

Erschien am 9. Januar 2008 in der Leipziger Volkszeitung.

4 Gedanken zu „Analog Musik hören: „Eine der schönsten Sachen der Welt“

  1. Hallo,
    super Artikel, man fühlt sich direkt wieder in die alte Zeit versetzt.
    Mein Kompliment, dass man seinem Hobby solange und in dieser Form treu geblieben ist.
    Viele Grüße aus Essen
    sendet Christine

  2. hallo

    was für ein kassettendeck würden sie mir zum kauf empfehlen ?? (ebay oder anderswo)
    denn ich habe noch viele gute kassetten im schrank.
    vielen dank für ihren tipp !
    gruß herbert

  3. Dies ist kein richtige hobby mehr aber mein beruf. Die text mit dem Ferrari habe ich in ein andere form im Schaufenster. Mach es gut und viel spass mit Dein hobby.
    Piet

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