Feuerwehr plagen Nachwuchssorgen

Taucha. Ehrenamtliche Tätigkeit ist mit Geld nicht aufzuwiegen. So die einhellige Meinung der anwesenden Ehrengäste bei der Jahreshauptversammlung der Freiwilligen Feuerwehren Taucha und Merkwitz am vergangenen Sonnabend. Angelika Stoye, Dezernentin für Ordnung im Landratsamt Delitzsch, Tauchas Bürgermeister Holger Schirmbeck, Ordnungsamtsleiter Albrecht Walther, der erste Beigeordnete Michael König und Vertreter der Stadtratsfraktionen waren gekommen, um dem Jahresbericht von Tauchas Stadtwehrleiter Wolfgang Pauli zu lauschen.

Dieser hatte allerhand Statistik mitgebracht: Im Jahr 2007 rückten die Wehren zu 88 Einsätzen aus. Der Großteil davon waren technische Hilfseinsätze. Brände wurden 18 Mal bekämpft, sechsmal handelte es sich um Fehlalarme. Zusammengerechnet waren dabei 866 Kameraden tätig, die 1002 Stunden ihrer Freizeit opferten. „Nicht eingerechnet sind hier die Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten nach den Einsätzen sowie die ständigen Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten der Geräte und Fahrzeuge“, so Pauli. Nochmals 1700 Stunden wurden dafür aufgewendet.

Mit der personellen Entwicklung ist Pauli aber nicht zufrieden. Aufgrund der dünnen Personaldecke müssten viele Kameraden mehrere Funktionen übernehmen – zusätzlich zu ihrer eigentlichen Arbeit. Dies setze viel Verständnis beim Arbeitgeber voraus, die ihre Angestellten für Einsätze freistellen müssen. „Hier wünschen wir uns weitere Unternehmen, die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr bevorzugt behandeln“, so Pauli. Doch auch im Jugendbereich drückt der Schuh: „Wir hatten 2001 noch 34 Mädchen und Jungen. 2006 und 2007 waren es nur noch 16 Kinder“, so Betreuerin Jenny Kolbig. Zur Lösung dieses Problems müsse nun verstärkt Öffentlichkeitsarbeit an Schulen betrieben werden. Ebenso sei die Stadtverwaltung gefragt, die auf Ausbildungsmöglichkeiten, die in ihrem Einflussbereich liegen, aktiv einwirken.

Diesen Ball spielte Bürgermeister Holger Schirmbeck in seinem Grußwort gewissermaßen wieder zurück: „Die Stadt kann an vielen Stellen sicher unterstützend wirken und Geld zur Verfügung stellen. Entscheidend wird aber sein, dass der Brandschutzbedarfsplan, der 2007 durch den Stadtrat verabschiedet wurde, von allen Seiten mit Leben erfüllt wird. Wichtig ist, dass die Stadt Taucha mit ihren Feuerwehren ein gutes und einheitliches Bild abgibt.“ Er sei, so Schirmbeck, zuversichtlich, dass dies gelinge, wenn die „kameradschaftliche Zusammenarbeit“ beibehalten werde und weiterhin Probleme angesprochen würden. Für die Arbeit der freiwillig tätigen Feuerwehrmitglieder und das Verständnis ihrer Angehörigen bedankte er sich.

Auch Dieter Teichert vom Kreisfeuerwehrverband Delitzsch fand Worte der Anerkennung und gab zu denken: „Viele sehen unseren Dienst als irgendein Hobby. Wir sind aber nicht ehrenamtlich tätig, um unsere Freizeit zu füllen, sondern für das Wohl und das Schutzbedürfnis der Bürger.“

Am Ende der Versammlung im Landgasthof Ochelmitz gab es noch ein Geschenk von der Stadtverwaltung: Die Feuerwehren Taucha und Merkwitz erhielten je eine Digitalkamera zur Dokumentation ihrer Einsätze.

Erschien am 12. Februar 2008 in der Leipziger Volkszeitung.

2 Gedanken zu „Feuerwehr plagen Nachwuchssorgen

  1. Schöner Bericht – fürwahr.
    Jedoch frage ich mich ehrlich, wann die die Oberen mal auf den Trichter kommen und etwas dagegen tun!!
    Mich regt es selbst auf, wenn ich solche Schlagzeilen wie die obige lese und dann von meinem Bruder seine Erfahrungen hören muss.
    In aller Kürze: mein Bruder hat eine Behinderung, aber nicht in dem Maße, dass er mit Zivi im Rollstuhl durch die Landschaft fahren muss. Heute habe ich erfahren, dass das THW ihn im wahrsten Sinne des Wortes aufgrund seiner Behinderung – und dadurch resultierend seinen Einschänkungen im Tätigkeitsfeld – rausgeschmissen haben. Der Ortsverband wollte ihn behalten, jedoch hat das die „Bosse“ des höheren Verbands in keinster Weise interessiert. OK könnte man sagen, es war das THW, also eine ganz andere Baustelle – jedoch trug sich diese Geschichte (in noch etwas schrofferer Weise) auch bei der lokalen Freiwilligen Feuerwehr zu. War jetzt im Südwesten der Republik und nicht im Osten, spielt aber meiner Meinung nach keine Rolle.
    Die Frage die sich mir aufdrängt: müssen oder brauchen die gemeinnützigen Organisationen wie hier beispielsweise Feuerwehr und THW ausschließlich „Frontschweine“, die alles können und machen? Wenn ich so manchen Aktiven anschaue, möchte ich das bezweifeln. Wo bleibt die angeblich so groß geschriebene Kameradschaft – also sich in einer Gruppe einzugliedern und sich aktiv einzubringen – wenn das Hauptkriterium für die Aufnahme die körperliche Eignung zur „Universal-Waffe“ im Vordergrund steht.
    Am Beispiel meines Bruders muss ich sagen, dass er zwar einige Tätigkeiten, wie z.B. Geräteträger o.ä., nicht übernehmen kann, jedoch ist er wirklich mit „Feuer und Flamme“ dabei und immer zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Alle seine Einschränkungen gleicht er mit seiner Motivation mehr als aus. Ich frage mal ehrlich: zählt das denn nicht?

    Dass auf die Eignung zum Dienst in solch einer Organisation geschaut werden muss ist klar und einleuchtend – aber himmelar***, wann gehen den Entscheidern endlich mal die Augen auf und sie schalten ihre Hirne ein und betrachten das „große Ganze“.

    Nachdenkliche Grüße
    Sascha

  2. Ein Blick auf eine Feuerwehrseite in meinem Wohnort Viersen, Stadtteil Boisheim zeigt mir die „Pflichten“ auf, die an eine Mitwirkung im Löschzug gebunden sind. Dort steht in knallroter Schrift: „nur der Eintritt und der Austritt freiwillig!“

    Ehrlich! Ich bin zwar 55 Jahre alt, aber hier muß ich auch erst einmal schlucken! Wie wirken die Aussagen auf 15- oder 25-Jährige, die zugegebenermaßen NICHT durch den autoritären Stil der Fünfziger und Sechsziger Jahre geprägt sind? Es heißt weiter unter anderem:

    „- Weisungen von Vorgesetzten befolgen
    – Vorbildliches und kameradschaftliches Verhalten “

    Ich habe bis 1980 zehn Jahre im Katastrophenschutz eines großen Unternehmens gedient. Eine solche paramilitärische Ausdrucksweise ist mir dort nicht begegnet, ist mir aber wohl vertraut durch einen Arbeitskollegen, der eine führende Position in einer Freiwilligen Feuerwehr bekleidete.

    Gut, das sind sehr subjektive Eindrücke, die ich hier schildere. Vielleicht findet jede Generation abhängig vom Zeitgeist ihre eigene Sprache. Jedoch wußte ich schon als Jugendlicher zwischen einer straff organisierten Hierarchie und einer autoritär geführten Organisation zu unterscheiden.

    Erschwerend kommt hinzu, daß in Viersen nur Nachwuchs für den Löschzug gesucht wird. Keine Einladung existiert für Jugendliche, Frauen und ältere Männer, sich an Aufgaben zu beteiligen, die abseits der Übungen und Einsätze, der Pflege und Wartung liegen.

    Warum? Sind die berufstätigen Familienväter und Ehemänner nicht ausgelastet? Irgendwo scheint die Kommunikation in der Öffentlichkeitsarbeit abgerissen zu sein.

    Ich würde gerne ehrenamtlich mitwirken, aber diese Option existiert nicht. So kommt es, daß motivierte Bürger parallel zu überlasteten Feuerwehrleuten ihren Frust vor sich herschieben und nicht miteinander kommunizieren.

    Ist das so gewünscht?

    Hans Kolpak
    publicFire.de

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