Privatradios zeigen bei Hochwasser, was sie können

Sie sind als Dudelfunker verschrien. Auch ich kritisiere immer mal wieder die sächsischen Privatradios. Wenn es aber drauf ankommt, können sie durchaus auch etwas leisten. Mit eigenen Redaktionen, ohne von der Zeitung abzuschreiben, was die Print-Kollegen gern mal den Radiojournalisten vorwerfen.

Beispiel: Die Flut im Osten Sachsens. Von Freitag zu Sonnabend verschärfte sich die Situation in Görlitz. Auch Chemnitz in Zittau waren betroffen. „Wir haben dann sofort den Automatismus rausgenommen und auf unseren Lokalstationen über die Katastrophe berichtet“, sagt Matthias Montag, Programmchef der BCS Sachsen, zu der die Lokalradios wie Radio Leipzig, Radio Dresden etc. und Hitradio RTL gehören. „Wir hatten bis Sonntag und auch zu Wochenbeginn locker zehn Reporter unterwegs, die sowohl die Lokalradios als auch RTL mit Informationen versorgten“, berichtet Montag weiter. Reporter Gunnar Tichi von Radio Zwickau hätte sogar die Schulanfangsfeier seiner eigenen Tochter unterbrochen, um in den Sender zu eilen.
Bei Radio Lausitz wurde am Sonntag das Programm komplett umgestellt. „Die Station wurde vom Mantel abgekoppelt und bekam ein eigenes Sonderprogramm. Wir fanden das angebracht und wichtig. Wenn Leute evakuiert werden müssen, woher sollen sie dann aktuelle Infos bekommen, wenn nicht von uns“, so Montag, der die Leistung seiner Redaktion als „großartig“ bezeichnet. „Das war Radio, wie es sein sollte. Schnell und aktuell, aber trotzdem zurückhaltend seriös“, meint er. Auch online sei das Thema begleitet worden, vor allem auf der Website von Radio Lausitz hätte es zudem viele Hörerkommentare gegeben.

Auch bei Radio PSR und R.SA habe man schnell reagiert, sagt Sprecher Nico Nickel. „Ab Sonnabend hatten wir es in den Nachrichten, gleichzeitig machte sich Falk Lange, unser Landeshauptstadtreporter von Dresden nach Niesky auf, um für beide Sender zu berichten“, sagt er. Hörer hätten sich gemeldet und Augenzeugenberichte geliefert. „Das war weit mehr Wortanteil als wir normalerweise an einem Sonntag haben“, so Nickel. PSR-Programmchef Ulrich Müller sei ab 7 Uhr im Sender gewesen, um die Berichterstattung zu koordinieren. Bei R.SA konzentrierte man sich neben der On-Air- auch auf die Online-Begleitung der Flut. „Auf unserer Facebook-Seite haben wir das Thema begleitet, es fand auch hier Interaktion mit dem Hörer statt“, erzählt Nickel. Nur die Spielshow um 12 Uhr am Sonntag bei R.SA wurde nicht gekippt. „Das sind langfristige Verträge, die wir einhalten müssen. Zudem geht die Sendung nur 15 Minuten, weshalb wir uns entschieden haben, sie zu senden“, so der Sprecher.

2 Gedanken zu „Privatradios zeigen bei Hochwasser, was sie können

  1. Lieber Daniel,
    oft teile ich ja deine Kommentare. Aber dass diese Bankrotterklärung des radiuos von dir tatsächlich gelobt wird?!?
    Da feiert sich ein Lokalsender dafür, dass er ein einziges Mal tatsächlich lokal sendet – und „den Automatismus“ rausnimmt.
    Noch schöner die Kollegen aus Leipzig von regiocast: „Ab Sonnabend hatten wir es in den Nachrichten“. Ach was. Ehrlich? Hui!!! Toll!! Der (scheinbar) einzige Reporter für zwei Sender brach aus Dresden auf RESPEKT. (erinnert sich noch jemand daran, dass die früher mal ein Studio vor Ort hatten?) Und der „Programmchef“ persönlich koordiniert. Wow. (Was bleibt dem auch anderes übrig, wenn er keine Redaktion mehr hat, deren Job das normalerweise wäre). Und dann hatte der Sender noch Augenzeugenberichte on air. Juhu! Was für eine Leistung – die Hörer kostenlos die Arbeit machen zu lassen, die eigentlich die des Radios und seiner nicht vorhandenen Reporter wäre.
    Also wenn das tatsächlich das Highlight des Journalismus im sächsichen Privatradio war – dann Gute Nacht!

  2. Hallo Ralf, natürlich hast Du Recht, man hätte die Fakten dagegen halten können oder vielleicht auch müssen, dass Lokal- und Regionalstudios geschlossen wurden und PSR am Wochenende bis hin zum Verkehrsfunk vorproduziert bzw. mittels Voicetracking realisiert wird. Ich hatte mich hier dieses eine Mal lediglich auf die Aussagen der Programmchefs beschränkt. Das nächste Mal wirds sicher wieder distanzierter. Trotzdem glaube ich den Radiomachern, dass die Berichterstattung von der Flut eine Riesenleistung war, vor allem, weil sie quasi über Nacht stattfand und auch, wie Du schon sagst, eine enorme Belastung vor dem Hintergrund der Personalknappheit war. Und Augenzeugenberichte sind trotzdem wichtig. Auf diese Weise entsteht Kommunikation mit dem Hörer, der Zielgruppe. Das ist etwas, was Radiosender immer mehr benötigen: Nähe zum Hörer. Trotz oder gerade wegen geschlossener Studios vor Ort.

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