Es geht „weiter“ – vorerst online

Die Leipziger 2Wochenzeitung „weiter“ existiert nicht mehr. Zumindest nicht als Druckerzeugnis. Denn mit „weiter“ geht es vorerst nur online weiter. Ein Abschied auf Raten? Nein, sagen der bisherige Chefredakteur Jonathan Fasel und die neuen Verantwortlichen. Auch habe die Einstellung des Print-Titels nichts mit der Medienkrise zu tun. Vielmehr sei es eine bewusste Entscheidung gewesen, die auch von Flexibilität zeuge.

Im Oktober 2009 traf ich mich mit Jonathan Fasel, Journalistik- und Politikwissenschaftsstudent im Leipziger Spizz. Eine Zeitung wollen er und einige Kollegen rausbringen. Eine Wochenzeitung für Leipzig mit tiefgründig recherchierten Geschichten. Eine Ergänzung zu bereits etablierten Tages- und Wochenmedien der Stadt, keine Konkurrenz. Ein viel versprechendes Konzept – und eine Aufgabe, die erhebliche personelle Ressourcen bindet. Zu viele. Ab der dritten Ausgabe wurde aus der Wochen- bereits eine 2Wochenzeitung.

Ein Jahr später sitzen wir wieder im Spizz. „Die Ausgabe Nummer 27 ist die letzte, die erscheint, wir stellen also unsere Printfassung ein und werden eine Online-Zeitung“, sagt er. Wehmut ist aus seinen Augen nicht abzulesen. „Es war eine bewusste Entscheidung, die einfache Gründe hat: Ich bin fertig mit dem Studium, will mich der beruflichen Karriere widmen und verlasse das Team. Mein Partner Dirk Stascheit, der sich um Vertrieb und Website kümmerte, nimmt sich aus dem gleichen Grund zurück“, erklärt er weiter. Die Verantwortung werde nun an neue Köpfe übergeben. „Es sind aber keine komplett neuen Köpfe, sondern zum Teil Mitgründer oder Autoren, die den Gründungsprozess miterlebt und mitgestaltet haben“, so Fasel.

Und: Sie sind alle weiblich. Franziska Gaube, Ethnologie-Studentin, Ute König, Journalistik-Studentin, Claudia Laßlop, freie Journalistin und Studentin Dorothea Hecht bilden künftig eine Art Konsortium aus Chefredakteuren, die „aber nicht so heißen“, wie Franziska Gaube erklärt: „Wir sind alles gleichberechtigte Autoren, ohne Hierarchien“, sagt sie weiter. Die Konzentration auf eine reine Online-Ausgabe ihrer Artikel erklärt Ute König: „Wir wollen recherchieren und schreiben und unsere Energie nicht durch Vertrieb und Werbung vergeuden. Würden wir das tun, würden wir drei Autoren verlieren.“


Seit heute sieht die Website von „weiter“, die unter nochweiter.de zu finden ist, komplett anders aus. Alle Artikel laufen direkt und für jeden lesbar in die Website, es wird also auch keine PDF-Ausgabe der Zeitung geben. Ein kompletter Abschied vom Print soll es aber dennoch nicht werden. „Wir planen unregelmäßige Best Ofs der Onlineartikel als Printmagazin“, so Claudia Laßlop. Ein Konzept über das Wie und Wann existiert aber noch nicht.
Online werde es weiterhin die Satire geben, der Stadtplan mit thematischem Bezug werde aller 14 Tage erneuert und pro Woche soll es drei Artikel, größere Geschichten und Interviews geben. Zusätzlich soll ein „subjektiver Tagesüberblick“ geschaffen werden. „Heute in Leipzig“ will Geschichten und Entwicklungen der Stadt kurz anreißen und verlinken.

„Jeder, der uns mochte, wird uns online weiterhin so erleben können“, bekräftigt Jonathan Fasel. Auch weiterhin glaubt er an die Nische. „Ja, ‚weiter‘ hat eine Nische gefunden und ist dort überlebensfähig“, sagt er. Das größte Problem seien in dem vergangenen Jahr nicht die Geschichten, das Layout oder der Druck der Zeitung gewesen. „Was einem wirklich das Leben schwer macht, ist der Vertrieb. Es ist nicht leicht, außerhalb des Presse-Grosso wahrgenommen zu werden“, erläutert er. Um Kosten zu sparen baute „weiter“ ein eigenes Vertriebsnetz auf. Eine Mischung aus Abonnements und dem freien Verkauf durch Kioske und kleinere Läden. Das sei die größte Herausforderung gewesen.

Trotz aller Widrigkeiten habe „weiter“ keinen Verlust gemacht. „Ehrlicherweise muss man auch sagen, dass nichts übrig geblieben ist. Aber über ein Jahr solch ein Projekt aufrecht zu erhalten, ohne rote Zahlen zu schreiben, werten wir als Erfolg. Wir hatten nach dem Start intern mit acht Ausgaben geplant. Die wollten wir auf jeden Fall schaffen. Dass es jetzt 27 geworden sind, ist ein purer Beweis dafür, dass Print leben kann und weiter leben wird“, ist er überzeugt.

Die Flexibilität des Projektes, jetzt einen Schritt zurück zu gehen und sich auf die reine Online-Publikation zu stützen, sichere das weitere Überleben von „weiter“. Denn, das habe Fasel gelernt: „Wenn man so ein Projekt angeht, muss man – so überzeugt man auch davon ist – ganz furchtbar flexibel sein. Als wir nach zwei Ausgaben auf die 14-tägige Erscheinungsweise umstellen mussten, war ich sehr angeknabbert. Zurückblickend hat uns das aber gerettet. Diese Offenheit Neuem gegenüber braucht es, um auf Dauer Bestand zu haben. Und genau das wünsche ich dem neuen Team“.