Leipziger Volkszeitung: Massiver Stellenabbau bis Ende 2015

Gestern äußerten sich Marc Zeimetz, Geschäftsführer der Leipziger Volkszeitung und Chefredakteur Jan Emendörfer endlich zu den Auswirkungen des Programms Madsack 2018. Und sie hatten nichts Gutes im Gepäck für die Redaktionsmitarbeiter.

Nach Informationen, die mir vorliegen, soll die Redaktion bis Ende 2015 auf 90 Stellen* geschrumpft werden. 40 Mitarbeiter fallen bereits bis Ende diesen Jahres weg: Die Hälfte der Angestellten wird in Altersteilzeit geschickt, die restlichen 20 werden entlassen. Dies soll übergreifend auf alle Ressorts und neben Redakteuren auch auf Sekretärinnen zutreffen. Derzeit hat die LVZ laut DJV Sachsen etwa 165 Redaktionsmitarbeiter.

Änderungen wird es auch bei den Redaktionen in den Kreisen geben, also in den Außenredaktionen der LVZ Delitzsch-Eilenburg, Muldental und Borna-Geihain. Hier sollen jeweils maximal drei Mitarbeiter verbleiben. Der Rest wird, wenn er nicht dem Stellenabbau zum Opfer fällt, an einem Regionaldesk im Haupthaus der LVZ im Leipziger Peterssteinweg sitzen. Qualitätsjournalismus im Sublokalen vom Schreibtisch aus – weit weg vom Leser – dass das nicht funktionieren kann, dürfte jedem klar sein. Langfristiges Ziel wird wohl sein, so meine Vermutung, einige Außenredaktionen komplett zu schließen, um die Mieten zu sparen.

Der Rückzug aus der Fläche ist ein Verrat an den treuen Lesern. Und in meinen Augen der völlig falsche Schritt. Das Sublokale wird auf diese Weise weiter eingeschränkt bis aufgegeben. Der Leser, der lokale Infos aus seiner Region sucht, wird wohl zukünftig noch weniger zu lesen bekommen. Eine Chance für regionale Blogs und News-Websites, wie etwa die Muldental Nachrichten.

Die Motivation bei den LVZ-Mitarbeitern ist seit gestern auf einem Tiefpunkt. Die Stimmungslage schwankt zwischen Verzweiflung, Wut und Entsetzen. Und wohl auch Ungewissheit, denn persönlich weiß – bis auf die Altersteilzeitrentner – noch niemand, ob er gehen muss.

Update: Laut DJV Sachsen fallen 46 Vollzeitstellen weg. Der entsprechende Tweet ist aber gelöscht worden. Der Mediendienst kress spricht von 36 Stellen.

Update 2: Und hier die offizielle Mitteilung der Geschäftsführung an die Mitarbeiter im Wortlaut. Download als PDF hier.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Leipziger Volkszeitung hat in den letzten sechs Jahren 17 Prozent Auflage verloren. Im selben Zeitraum sind die Erlöse aus dem Anzeigen- und Beilagengeschäft der LVZ-Gruppe um 50 Prozent gesunken, von 50 Millionen auf 25 Millionen Euro.

Damit unser Blatt in Zukunft erfolgreich am Markt bestehen kann, müssen wir uns auch redaktionell neu aufstellen. Dazu haben wir ein Konzept entwickelt, das wir Ihnen hier kurz skizzieren wollen. Es besteht im Wesentlichen aus zwei großen Bausteinen.

Erstens: Aus dem heutigen Newsdesk in Leipzig wird ein Regio-Desk, an dem alle redaktionellen Inhalte der Fachressorts aus Sachsen und Mitteldeutschland sowie aus Leipzig von einem qualifizierten Team quasi aus einer Hand produziert werden, inklusive online-content. Hier laufen auch die inhaltlichen Zulieferungen des Redaktionsnetzwerkes Deutschland (RND, Hannover) auf und werden in die einzelnen Bücher der Zeitung gelenkt.

Zweitens: Wir bauen am Standort Leipzig einen zweiten Newsroom auf, in dem die Produktion aller Lokalausgaben zentral gebündelt wird. Dadurch kommt es zu einer schärferen Trennung zwischen Reportern und Producern auch im Lokalen. Die Reporter werden in den Redaktionen unterwegs sein und die Producer werden in Leipzig die lokalen Seiten bauen und auch das Onlineportal mit beliefern.

Mit dieser Arbeitsteilung zwischen RND, Regio- und Lokaldesk erreichen wir eine höhere Konzentration der einzelnen Mitarbeiter auf ihre Stärken, Fähigkeiten und Kompetenzen im jeweiligen Fachbereich.

Mit diesem Konzept soll die Qualität und die Zukunft der Zeitung gesichert werden, indem wir effektiver arbeiten und zugleich Kosten senken. Hinter dem neuen Redaktionskonzept steht eine personelle Zielstruktur von 90 Vollzeitstellen. Um diese Zielstruktur zu erreichen, soll vor allem das Modell der Altersteilzeit ausgeschöpft werden. Dennoch werden etwa 20 Planstellen übrig bleiben, die sich nicht auf diesem Wege abbauen lassen.

Welche Wege und Möglichkeiten es dafür gibt, das wollen wir in den nächsten Tagen und Wochen mit dem Betriebsrat und auch mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, besprechen. Wo immer es möglich ist, streben wir eine einvernehmliche Lösung an.

Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht, Wochen und Monaten (sic!) in der Geschäftsführung und der Chefredaktion über diesen Schritt diskutiert. Wir denken aber, dass dieser Kurs der richtige ist, um die LVZ in einem immer schwieriger werdenden Marktumfeld modern, zukunftsfähig und für ihre Leser attraktiv zu gestalten.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Emendörfer
Marc Zeimetz

Update 3:
Der Flurfunk Dresden hat Infos, welche Auswirkungen der Verlagsumbau auf die Dresdner Neueste Nachrichten hat.

Update 4:
Der DJV Sachsen schreibt heute unter dem Titel „LVZ im Schock“ völlig richtig: „Wenn man die Macher einer Tageszeitung um ein Viertel reduziert, dann hat das unweigerlich Folgen für die Qualität. Das wiederum dient keineswegs dazu, die lokalen Printmedien zu stärken.“

Update 5:
Der Betriebsrat der LVZ reagierte heute mit einem Aushang auf die Ankündigungen der LVZ-Geschäftsführung und Chefredaktion. Hier die Betriebsratsinfo im Wortlaut:

Ein unfassbarer Schnitt!

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
jetzt ist die Katze aus dem Sack: Mit nur noch 90 Köpfen in den Redaktionen wollen die Spitzen von Madsack und LVDG die Leipziger Volkszeitung der Zukunft gestalten. Das ist die personelle Konsequenz von „Madsack 2018“, die die Geschäftsleitung auf der Betriebsversammlung am 21. Mai offerierte. Ein unfassbarer Schnitt. Heute arbeiten knapp 140 festangestellte Mitarbeiter in der Leipziger Redaktion und in den Außenredaktionen.

Das heißt: Für einen Teil unserer Kolleginnen und Kollegen soll hier kein Platz mehr sein. Ob das Unternehmen im Laufe der nächsten Monate 20 Mitarbeitern betriebsbedingt kündigt oder vielleicht sogar deutlich mehr, das macht die Geschäftsleitung von der Zahl derer abhängig, die sich für den Ausstieg via Altersteilzeit entscheiden.

Wir, die Mitglieder des von Euch gewählten Betriebsrates, fordern die Geschäftsleitung auf, so viele Arbeitsplätze wie möglich zu erhalten. Das Potenzial an Altersteilzeit sollte ausgeschöpft werden. Wir bitten deshalb alle in Frage Kommenden, sich mit dieser Option auseinanderzusetzen. Wir sind bereit, mit der Geschäftsleitung über einen Sozialplan zu verhandeln. Erste Gespräche sollen schon Anfang Juni stattfinden. Unser entschiedenes Ziel ist es, die Zahl betriebsbedingter Kündigungen so gering wie möglich zu halten. Wer die LVDG verlassen muss oder aus freien Stücken verlässt, muss durch das Reglement des Sozialplans einen möglichst weitgehenden Ausgleich erfahren.

Bitte unterstützt uns in diesem schweren Prozess.

90 Köpfe in der Redaktion für eine Leipziger Volkszeitung, die stärker als heute schon an den Lesern dran sein soll – das ist definitiv unmöglich! Diese Prämisse von Konzern- und Geschäftsleitung teilen wir ausdrücklich nicht! Auch wenn sich dieses Urteil der unmittelbaren Mitsprache eines Betriebsrates entzieht, möchten wir unsere Sorge nicht verhehlen: unsere Sorge um die Relevanz und Akzeptanz der Leipziger Volkszeitung in der jetzt anbrechenden Zukunft. Einer Zeitung, die in der Stadt Leipzig und in der gesamten Leipziger Region tief verwurzelt ist. Unserer Zeitung, die in diesem Jahr auf 120 Jahre publizistischer Tradition und Erfahrung zurückschaut.

*) Ursprünglich hieß es an dieser Stelle, die Redaktion soll um 90 Stellen gekürzt werden. Dies war ein Fehler. Sorry dafür.

4 Gedanken zu „Leipziger Volkszeitung: Massiver Stellenabbau bis Ende 2015

  1. Mal ernsthaft – wie sieht denn die Alternative aus?

    Fast ein Fünftel an Auflage verloren, die Hälfte der Werbekunden weggebrochen … Sollen jetzt noch mehr Redakteure eingestellt werden, um mit mehr „Qualität“ Leser und Anzeigekunden zurückzugewinnen? Hat das schonmal ein Blatt in den letzten zehn Jahren geschafft?

    Was dachte die Redaktion, wie es nach dem jahrelangen, dramatischen wirtschaftlichen Niedergang weitergeht? Gibt es da auch ein Wirtschaftsressort mit kritischen/investigativen Journalisten?

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