„Blitz“schneller Busfahrer wird 88

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Taucha. Es kommt nicht oft vor, dass Bürgermeister Holger Schirmbeck persönlich anrückt, wenn ein Bürger 88 Jahre alt wird. Im Falle von Kurt Pfeil machte das Stadtoberhaupt gestern aber mal eine Ausnahme. Denn Kurt Pfeil gilt vielen Parthestädtern als echtes Tauchaer Original.

Anfang der 60er Jahre gründete Pfeil die Buslinie von Taucha nach Paunsdorf. Mit seinem Opel Blitz, einem Oldtimer-Bus, prägte er bis 1985 das Stadtbild. Die Zigarre im Mund und immer ein Lächeln für seine Fahrgäste – so kannten viele Tauchaer Kurt Pfeil, der immer dann gerufen wurde, wenn Brigade- und Kaffeefahrten, Ausflüge und Vereinstouren anstanden. Bürgermeister Schirmbeck brachte darum eine Frage mit, die sich wohl viele stellen: „Was ist eigentlich aus dem Bus geworden?“, wollte er wissen. Eine Frage, die Pfeil gern beantwortete: „Den hat Neoplan gekauft.“ Der Hersteller wirbt auf seiner Website mit futuristisch wirkenden Großraumbussen, besinnt sich aber auch alter Werte und veranstaltet mehrmals im Jahr Oldtimerschauen, bei denen auch der Opel zu sehen ist. Der Bus ging noch vor der Wende über die Grenze. Ein Bekannter hatte sich damals darum gekümmert. „Ich bekam später eine Fotomappe zugeschickt, auf der zu sehen war, wie Lehrlinge im Werk den Bus zerlegten und Stück für Stück restaurierten. Leider habe ich die Mappe einem Freund geliehen, der mittlerweile verstorben ist. Seitdem ist sie verschwunden“, bedauert der Senior.

Den Bus kannten nicht nur Tauchaer. Auch zahlreiche Prominente der DDR wurden darin chauffiert, wie Pfeils Stiefsohn Joachim Bock erzählt: „Frank Schöbel, Lutz Jahoda oder Heinz Quermann fuhren bei ihm mit.“ Auch erzählt er vom Zirkus Aeros, dessen Schauspieler der „Wiener Eisrevue“ von Pfeil hinter der Grenze abgeholt wurden. Der frühere Unternehmer winkt aber bescheiden ab: „Ach, das braucht man doch nicht zu erwähnen, die Promis sind vielleicht ein-, zweimal mitgefahren.“ Viel wichtiger sind ihm Begegnungen mit Menschen des Alltags. Ausflüge mit der Konsumgenossenschaft, Fußballvereinen oder Sehliser Rentnern sind ihm in Erinnerung geblieben. Selbst Schirmbecks Vater kannte Kurt Pfeil, der ihn beispielsweise nach Grimma zur Gaststätte Gattersburg fuhr. „Ich habe auch oft Bauarbeiter zu den entstehenden Werken nach Böhlen und zum Kraftwerk Thierbach gebracht“, erzählt er weiter. Letzteres wurde 1999 still gelegt, 2006 die Kühltürme gesprengt.

Die Instandhaltung seines Fahrzeugs, das er 1950 mit seinem Vater Paul aufbaute, ging anfangs noch problemlos. „Ich habe ursprünglich Autoschlosser bei Opel am Johannisplatz gelernt. Dort, wo jetzt auch wieder ein solches Autohaus ansässig ist. Dorthin hatte ich also Beziehungen und konnte Einzelteile besorgen“, berichtet Pfeil. In der späteren DDR-Zeit halfen ihm Freunde und er improvisierte. „Wir haben die Teile selbst hergestellt und stellten fest, dass beispielsweise die Kupplungsscheibe des S4000, Vorläufer des W-50-Lkw, an den Blitz passte.“

Dass seine Familie zuvor auch während des Krieges das Transportunternehmen weiterführen durfte, hatte sie ihren guten Beziehungen zum damaligen Bürgermeister zu verdanken. „Eigentlich sollten alle Lkw eingezogen werden. Dazu musste jeder mit seinem Fahrzeug auf einen großen Platz vorfahren – dort, wo jetzt Bogumils Garten steht. Für uns fand man eine Ausnahmeregelung, weil wir ja auch für viele Betriebe fuhren“, erläutert er. So belieferten Pfeils und ihre zwei Mitarbeiter unter anderem zwei Tauchaer Fischgeschäfte. „In einem war bis vor kurzem noch ein Erotikmarkt, die Zeiten ändern sich“, lächelt der rüstige Rentner.

Während des Treffens mit Bürgermeister Schirmbeck meldeten sich zahlreiche Freunde und ehemalige Kollegen per Telefon oder kamen persönlich vorbei. Kurt Pfeil wird wohl in den nächsten Tagen noch jede Menge Gespräche führen und sich zurückerinnern dürfen. An die schöne Zeit im Bus, mit Zigarre im Mundwinkel. Letztere hat er abgelegt, das Rauchen vor 20 Jahren aufgegeben.

Erschien am 4. Januar 2008 in der Leipziger Volkszeitung.