Chat mit einem Adresshändler

Vor einigen Tagen erreichten diverse Verbraucher E-Mails, in denen ihnen 4,6 Millionen E-Mail-Adressen zum Kauf angeboten wurden. 1000 Euro will der Absender der Mail, der sich „Der Mailer“ nennt, für den Datensatz. Heute berichtet die Verbraucherzentrale Sachsen davon und vermutet unter anderem, dass hier gar kein Adresshandel betrieben werden soll, sondern es sich um Betrug handelt.

Dem kann ich – nach meinem derzeitigen Wissensstand – widersprechen. Am Mittwoch vergangener Woche hatte ich die Möglichkeit, mit dem „Mailer“ via ICQ zu chatten. Seine ICQ-Nummer war in der Mail angegeben. Ziel meines Chats war es, herauszufinden, was den Mann dazu treibt, mit Adressen zu handeln. Fazit: Der „Mailer“ behauptet felsenfest, es sei legal, Millionen Mail-Adressen zu verkaufen, weil die Besitzer der Adressen schließlich ihre Einwilligung dafür gaben. Einen Auszug möchte ich hier wiedergeben.

[20:50] Hallo.
[20:51] mailer: hallo
[20:51] Sie bieten E-Mail-Adressen an, hörte ich?
[20:51] mailer: ja
[20:51] Was sind das für Adressen?
[20:52] mailer: deutsche
[20:52] Und woher stammen die?
[20:53] mailer: spielt keine rolle
[20:53] mailer: hauptsache sie sind da
[20:53] gut, aber so können sie ja kein geschäft machen. ein käufer muss schon wissen, ob das real existierende und geprüfte mailadressen sind, meinen sie nicht?
[20:54] alle email adressen sind geprüft und zu 100% gültig
[20:55] handelt es sich dabei um adressen aus datensätzen von unternehmen? sind das privatadressen?
[20:55] mailer: kann ihnen ja mal 20 000 adressen geben zum testen
[20:56] mailer: die meisten davon sind privat adressen
[20:58] gibt es demografischen hintergrund dazu? oder sind das einfach zusammengesammelte daten aus verschiedenen quellen?
[20:58] mailer: Rund 2,5 Millionen @t-online.de Emails
Rund 1,2 Millionen @web.de Emails
Rund 570`000 @bluewin.ch Emails
Rund 250`000 @gmx.de Emails
Rund 120`000 @gmx.net Emails
[20:59] ja, gut und schön. und auf welche zielgruppe passt das eher?
[20:59] mailer: ich würde sagen auf alle zielgruppen
[21:01] das wäre ja eher suboptimal. das heisst, der streuverlust wäre sehr groß.
[21:02] mailer: ich weiss nicht ich selber habe mit diesen emails gut geld verdient für verschiedene projekte
[21:02] mailer: entweder sie sind am kauf interessiert oder nicht
[21:02] mailer: ist ihre entscheidung
[21:03] sicher, nur muss ich wissen, auf welche projekte ich die mailadressen ansetzen kann. ein test wäre möglich, sagen sie? brauche auch keine 20.000. 5.000 reichen.
[21:04] mailer: ok

Daraufhin sendete mir der „Mailer“ eine Textdatei mit tatsächlich 20.000 E-Mail-Adressen. Eine schnelle Sichtung und Überprüfung einiger Adressen bei Google zeigte mir, dass diese Adressen zumindest nicht ausgedacht waren. Teils gehörten sie Privatpersonen mit „Katzenbilder-Blogs“, teilweise Unternehmen. Verlage, Fliesenleger, Speditionen, Pfarrämter – und dazwischen immer wieder jede Menge Privatadressen, die meisten mit t-online-Endung. Darum wollte ich wissen, woher der „Mailer“ diese Adressen hat.

[21:10] haben sie die gesammelt oder auch nur über umwege bekommen?
[21:11] mailer: über double-opt-in gesammelt
[21:11] oh, lustig. und diese leute haben der weitergabe zugestimmt?
[21:11] mailer: genau
[21:12] mailer: habe sogar von allen auch adresse, telefonnumer usw.
[21:12] aber doch sicher nicht dem verkauf?
[21:12] mailer: doch
[21:12] mailer: ich darf diese weiterverkaufen besitze die lizenz dafür
[21:13] und sie verdienen mit dem verkauf von mailadressen ihren lebensunterhalt?
[21:13] mailer: nicht nur
[21:14] hm. aber letztlich sind sie erfüllungsgehilfe von spammern.
[21:14] bzw. selbst einer.
[21:15] mailer: nicht wenn man die mailadressen im double-opti-in verfahren gesammelt hat dann ist man kein spammer
[21:15] mailer: kenne mich damit gut aus 😉
[21:16] naja, double opt-in heißt ja nur, dass die adresse rechtmäßig für den jeweiligen zweck angemeldet wurde. newsletter etc. aber doch nicht, dass wildfremde menschen dann diese mailadresse bekommen dürfen.
[21:16] mailer: doch dem haben sie auch zugestimmt
[21:17] okay, viele davon sicher unwissentlich.
[21:17] mailer: ja
[21:19] verraten sie mir, aus welcher ecke deutschlands sie kommen?
[21:21] mailer: ich wohne weder in deutschland noch in europa bin schon längst ausgewandert
[21:21] okay, die auswandernummer ist alt. im ernst: wo wohnen sie?
[21:22] mailer: ehrlich weder in deutschland noch in europa
[21:22] mailer: in argentinien

Im Laufe des Gesprächs gab ich mich als Journalist zu erkennen und wollte wissen, wie das so ist, als Adresshändler, der Spammern hilft, was man verdient und so weiter.

[21:25] mailer: ich bin glaube ich die falsche ansprechperson für sowas
[21:26] mailer: ich verkaufe und versende emails um geld zu verdienen
[21:26] immerhin verkaufen sie offenbar 4 millionen mailadressen und helfen damit der „spamindustrie“
[21:30] mailer: käufer sind meistens firmen , wieviel ich damit verdiene verrate ich nicht ist auch underschiedlich
[21:30] und die käufer gewinnen sie, indem sie einfach mails versenden und die mailadressen anbieten?
[21:31] mailer: ja
[21:32] haben sie eine ahnung, wie viele mailadressen deutscher verbraucher im umlauf sind?
[21:32] mailer: würde sagen ca 80%
[21:33] und sie verkaufen auch adressen, telefonnummern usw? auch kontodaten?
[21:33] mailer: keine kontodaten
[21:33] mailer: ich mache nur legale sachen
[…]
[21:43] der verkauf von firmendaten wäre sicher unproblematisch. aber bei privatpersonen hörts dann meiner meinung nach auf. oder haben sie gerichtsurteile etc. zur hand, die das widerlegen?
[21:47] mailer: ich bin überzeugt das was ich mache nicht illegal ist
[21:47] mailer: ich besitze die lizenzen dafür diese emails zu verkaufen
[21:48] und wie stellen sie sicher, dass sie die weitergabe-erlaubnis ihren käufern auch verkaufen? mailadressen können sie verkaufen – die zustimmung zur nutzung und weiterverarbeitung aber nicht.
[21:49] mailer: naja
[21:49] mailer: wir alle wollen doch geld verdienen nicht?
[21:49] mailer: einer verdient auf die einer art geld einer auf die andere so ist das nun mal
[21:50] klar. und da sind wir wieder beim thema. sie spielen spammern daten in die hände, die sie vielleicht rechtmäßig erworben haben. im gleichen atemzug machen sie aber diese daten minderwertig, weil spammer sie für andere zwecke einsetzen, als die genehmigung dafür aussagt.
[21:50] mailer: während dem ich mit ihnen hier schreibe habe ich jetz 8 exemplare verkauft
[21:51] mailer: also ca 8000 euro gewinn
[21:51] glückwunsch. bauchschmerzen?
[21:51] mailer: nein
[21:52] und wie kommen sie an ihr geld? paypal?
[21:53] mailer: überweisung,paypal,epassporte,liberty reserve
[21:54] mailer: je nachdem wie der kunde bezahlen will
[21:54] und das funktioniert? das heißt, da gibts keine zahlungsausfälle? risiken, dass sie ihr geld nicht bekommen?
[21:55] mailer: ich verschicke die ware erst wenn das geld angekommen ist
[21:55] mailer: also vorkasse
[21:57] und am tag um die 8000 euro umsatz? oder ist da mehr drin?
[21:57] mailer: ich bin eigentlich gelehrnter elektromonteur habe aber in diesem beruf nach abschluss der lehre nie mehr gearbeitet
[21:58] mailer: nein nicht jeden tag
[21:58] mailer: ich mache sowas nicht jeden tag
[21:59] okay, das wäre sicher auch zuviel. wohin mit dem ganzen geld. 🙂 ich hätte trotzdem bauchschmerzen.
[21:59] mailer: wieso bauchschmerzen?
[22:00] naja, weil sie persönliche daten von anderen in fremde, unbekannte hände für einen unbekannten zweck geben.
[22:01] mailer: naja
[22:01] mailer: die anderen wollen ja auch ihre produkte verkaufen
[22:01] mailer: das leben ist eben hart
[22:02] ehrlich gesagt machen mich diese äußerungen ein bisschen wütend. aber ist okay. das ist eben ihre auslegung.
[22:03] mailer: naja ne andere möglichkeit an gutes geld zu kommen habe ich nicht
[22:03] mailer: ich muss ja schliesslich auch irgendwie mein geld verdienen
[22:03] ehrliche arbeit? schonmal versucht? 😉
[22:03] mailer: zu wenig geld
[22:03] mailer: und zu hart
[22:03] wahnsinn. darf ich fragen, wie alt sie ungefähr sind?
[22:04] mailer: 23
[22:04] Und seit wann betreiben Sie dieses Geschäft?
[22:04] mailer: seit ein paar jahren

Was uns dieser Einblick in die Geschäftspraktiken des Adresshändlers lehrt: Sei wachsam, was Du mit Deinen Daten anstellst und wem Du sie gibst. Verhindern können wird man den Verkauf von Mailadressen und Postanschriften aber wohl nie, wenn es weiterhin solche Zeitgenossen gibt, die einerseits aus dem „Überwachungsstaat Deutschland“ (wie er zu mir meinte) flüchten, sich aber nicht zu fein sind, weiterhin mit der Unachtsamkeit deutscher Bürger Geld zu verdienen.

8 Gedanken zu „Chat mit einem Adresshändler

  1. ehrlich gesagt bin ich sprachlos. ich empfehle meinen kunden (auch mit den selber gesammelten mails) immer umsicht umzugehen… aber das…

    …krass.

  2. Naja, wenns so ist, wie er schildert, kannst Du umsichtig umgehen, wie Du willst. Spam wirst Du immer bekommen, wenn die korrekt gesammelten Daten verkauft werden. So wirds auch mit Kontodaten funktionieren.

  3. Schön, im Sinne von „wirklich interessant“ und gut, dass Du Dir die Zeit genommen hast, so ein Chatinterview zu führen. Las sich einfach interessant. Inhaltlich ist das, was dieser dubiose Herr (oder Junge?) macht, natürlich alles andere als erfreulich und erbaulich.
    In diesem Sinne…. 💡

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