Die #geiselnahme #leipzig im Netz

Heute Mittag wurde bekannt, dass ein Unbekannter in der H&M-Filiale in der Leipziger Petersstraße Geiseln genommen habe. Der Mann sei bewaffnet. Zuerst öffentlich gemacht hat den Überfall der Leipziger Hörfunkjournalist Konstantin Winkler. Über seinen Twitter-Account schrieb er:

Danach folgt ein Foto der zum Teil abgesperrten Petersstraße. Direkt danach beginnen weitere Leipziger über Twitter mit der Berichterstattung. @heldenstadt schreibt: „Geiselnahme in der Leipziger Innenstadt. Polizei sperrt H&M Umgebung ab. Angeblich Mann mit Waffe.“ Später wird klar, weil es auch die Polizei bestätigt: Ja, es handelt sich um eine Geiselnahme, auch die Waffe wurde bestätigt.

Der Vorverkäufer des Kabarett Sanftwut, das sich ganz in der Nähe befindet, berichtet, er habe sich eingesperrt. Nach kurzer Zeit werden bereits erste Geisel freigelassen, wie LVZ-Online berichtet. Die Kollegen sind anfangs nicht live vor Ort, sondern telefonieren mit der Polizei, weitere Kollegen eilen in die City. Wichtige Informationen vom Tatort kommen in den ersten Minuten nur über Twitter. Vor allem Konni und Heldenstadt twittern. Julia Janke, Moderatorin bei Energy Sachsen, zeigt Kameraleute auf dem Balkon des Radiozentrums, das sich direkt gegenüber der Petersstraße befindet. Auch Oliver Busch alias Gummibando ist vor Ort – und zeigt die Medienmeute von der anderen Seite.

Zwischenzeitlich twittert Konni immer mehr Details, berichtet etwa von drei SEK-Beamten, die ins Haus gegangen seien. LVZ-Online zeigt via Twitter ein Foto der SEK-Beamten. Gegen 14.20 Uhr gibt Konni ein Telefoninterview bei MDR Sputnik. Während dieses läuft, werden weitere Updates zum Fall getwittert. Die Polizei in Grün sei abgezogen worden, das SEK habe komplett übernommen. Hier wird wieder klar: Twitter hat das Radio als schnellstes Medium längst abgelöst. Doch diese Schnelligkeit und Detailtreue kommt nicht bei allen gut an, einige vermuten, dem Täter könnten zu viele Informationen geliefert werden. Konni reagiert und erklärt: „Kurze Stellungnahme zu einigen Tweets: Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Täter bei so etwas auch noch Zeit hat, Twitter zu nutzen.“ Trotzdem nimmt er sich vor, ab sofort nicht mehr so viele Details zu twittern.

Nicht nur aus der Innenstadt wird mittlerweile live getwittert. W8el zeigt nach 15 Uhr ein Foto von Polizeitransportern, die mit Absperrgittern beladen auf dem Weg Richtung Tatort sind. Oliver Gross befindet sich auf dem Leuschner-Platz und schreibt von weiteren Einsatzkräften der Polizei, die anrücken. Sunlew vermutet, das Verhandlungsteam aus Dresden, das bei solchen Verbrechen offenbar immer angefordert wird, habe ihn gerade auf der A38 überholt.

15:17 Uhr: Passanten haben wohl einen Schuss gehört, schreibt Konni. Er selbst glaubt nicht daran.

15:31 Uhr: Mittlerweile sind die Absperrgitter fast bis zum Augustusplatz aufgebaut worden, so Wieland Günzel über Twitter.

15:34 Uhr: Veiko Lange berichtet von Scharfschützen auf den Dächern.

15:54 Uhr: Zum Glück: Die Geiselnahme scheint unblutig beendet worden zu sein.

16:02 Uhr: Heldenstadt berichtet, die Gefahr sei vorüber, die Absperrungen blieben aber noch bestehen.

16:06 Uhr: Oliver Gross vermutet, ohne Quellen zu nennen, der Täter sei ein Vorbestrafter 41-Jähriger, der aus Verzweiflung handelte.

16:10 Uhr: Der Dresdner Journalist Peter Stawowy fragt sich, wo die Grenzen der Live-Berichterstattung sind.

16:13 Uhr: Die Leipziger Twitter-Nutzerin Sunenine war kurz vor der Geiselnahme noch in der H%M-Filiale und freut sich, dass den Angestellten nichts passiert ist.

16:14 Uhr: mephisto97.6, das Lokalradio der Universität Leipzig, twittert die Bestätigung: Die Geiselnahme ist beendet.

Auch CNN Online hat über die Geiselnahme berichtet (via derdorni)

Die Leipziger 2Wochenzeitung Weiter hat sich ebenfalls wie ich die Verbreitung von der Nachricht der Geiselnahme im Netz angeschaut.

22 Gedanken zu „Die #geiselnahme #leipzig im Netz

  1. Geil, Waffen, Geiseln, Tote!!! Gleich drüber schreiben, das gibt Klicks, Klick und noch mehr Klicks.

    Was soll dieser Artikel? Gibt er dem Leser einen Mehrwert?

  2. @Micha ja mir gibt es einen guten Überblick. Konnte nicht alles von Anfang auf Twitter verfolgen. Dank dir Daniel für die Zusammenfassung. 🙂

  3. Lieber Micha, ich hoffe, Du hast Dich wieder einigermaßen abgekühlt. Dieser Artikel dokumentiert, wie Leipziger Twitter und das Netz nutzen, um über ein aktuelles Thema zu berichten – und zeigt, dass sich das Mediennutzungsverhalten immer weiter in Richtung Internet verlagert. Auf solche Gedanken kommt man natürlich nicht, wenn man eigentlich „Tote!!!“ erwartet.

  4. @micha Es steht jedem frei sich zu informieren und Daniel hat hier klasse zusammen gefasst. Leider bekommt man bei N24 und N-TV nur steinalte Nachrichten dazu.
    Die Geiselnahme hat sich nun mal in unserer Stadt abgespielt und da will man auch wissen was los ist.

    Wenn es dich nicht interessiert, dann lies es nicht.

    Gruss Daniel

  5. Sehr interessant zusammengefasst und gut nachvollziehbar. Die Leipziger Twitterszene hat gezeigt was dieses Medium eben auch kann. Ich bin stolz euch zu folgen!

  6. gute Zusammenfassung, aber leider waren auch viele Twittergaffer unterwegs…

  7. Veiko ist nicht mal in der Stadt und „berichtet“… interessante Recherchen/Quellen.

  8. Für mich steht das Interesse des schnellen Informationsaustausches via Internet im Vordergrund.
    Ich habe von Freunden aus der Innenstadt die Neuigkeit übers Telefon vernommen, dann Twitter gecheckt. Augenblicke später gab es eine Meldung bei Welt Online und alle anderen Newssiten folgten. Spiegel-Online war etwas spät dran.
    Es ist sehr interessant den Informationsfluss und dessen Möglichkeiten – unabhängig von den Themen/Problemen – zu beobachten. Ein Glück das heute nichts Schlimmes passiert ist!

    Tim

  9. Ich seh schon, die Twitter-Gemeinde ist tatsächlich „stolz“ auf ihren Boulevard-Journalismus.. Aber die Bildzeitung hätte es nicht besser machen können, da habt ihr recht.

  10. Vielen Dank für die tolle Zusammenfassung. Habe zum allerersten Mal Twitter benutzt, um aktuelle Infos zu erhalten. Ich meine, es hat nichts mit Voyeurismus zu tun. Schließlich hofft und bangt man mit den Geiseln und wartet nicht aufs große Blutvergießen.
    Mein Sohn und seine Freundin sind der Geiselnahme knapp entkommen. Glücklicherweise brauchte seine Freundin etwas länger, um sich im benachbarten Schuhgeschäft für ein paar Schuhe zu entscheiden. Das gelebte Klischee „Frauen und Schuhe“ hat den beiden eine schlimme Erfahrung erspart.
    Den Geiseln wünsche ich, dass sie sich schnell und umfassend von diesem Vorfall erholen…

  11. @micha: Das ist kein Boulevard, das ist Meta-Berichterstattung. Ich dokumentiere einen Vorfall, über den im Netz berichtet wurde. Aber natürlich respektiere ich Deine Meinung. Insofern tut es mir leid, wenn ich Dir diesmal keinen lesenswerten Artikel liefern konnte. Einen sonnigen Tag noch.

  12. Meta-Berichterstattung? Noch nie gehört. Für mich ist es Klickfang.
    Die Dokumentation des Vorfalls auf Twitter lässt sich nämlich ganz einfach bewerkstelligen:

    http://search.twitter.com/sear.....2010-06-15

    Aber lassen wir es gut sein. Wir wissen, dass du als Journalist dein Geld verdienen musst, also muss das Thema auch ausgeschlachtet äh dokumentiert werden. Ähnlich wie von anderen Twitter-Usern auch, die sonst als Journalisten arbeiten.

    Euch auch einen ruhigen Rest-Dienstag ohne weitere Zwischenfälle!

  13. Ganz ehrlich…….ich würde Twitter einfach nur ignorieren…..größte Scheiße die es gibt.

    Verkehrt ist es nicht die Details zurückzuhalten…stellt euch mal vor zu RAF Zeiten hätte es das gegeben

  14. Jungs, ihr dürft hier gern eure Meinung haben. Wenn ihr aber anfangt, Fäkalsprache zu nutzen, zeig ich Euch die Tür. Danke.

  15. Ein gelungene Zusammenfassung. Ich war heute extrem beeindruckt, als Twitter begann, sein Potential zu entfalten. Man musste nur #Geiselnahme verfolgen und schon bekam man sekundenaktuell Informationen zugespielt.

    (Zwar bekam man nicht wirklich mehr oder wahnsinnig genauere Information, wie z. Bsp. auf n-TV, dafür aber nahezu in der Sekunde, in der sie auf den Plan traten.)

    Mit „Boulevard-Journalismus“ hat das meiner Meinung nach nichts zu tun. Hier wurde nichts überdramatisiert, ausgeschlachtet oder ähnliches veranstaltet. Twitter war zu diesem Zeitpunkt lediglich ein virtuelles Abbild der Situation vor Ort.

    Leider gab es auch negativ auffallende Twitterer, die sich in die Timeline gemischt haben. Ein Beispiel dafür ist @MrFanning2010, der die Situation schamlos ausnutzte um Werbung für seinen Shop zu machen: „Hoffentlich grillt die Polizei den Geiselnehmer, den passenden Grill dazu gibt es bei uns [URL]“ – das war in etwa der Wortlaut. Die „Werbe“-Tweets sind mittlerweile gelöscht.

    Nochmals: Schöner Überblick, der Zeit, in welche Richtung zukünftige Berichterstattung und Informationsverteilung gehen kann.

  16. Vielen Dank euch allen für den Einsatz gestern und auch für diese Zusammenfassung. Es ist viel wert, wenn man sich auch unterwegs ohne Radio und TV über den aktuellen Stand informieren kann. Ich saß z.B. ab 15 Uhr im Seminar und habe nur noch Sirenen und Hubschrauber gehört – die Nachricht vom unblutigen Ende via Twitter war natürlich eine Riesenerleichterung.

    Wer Twitter nicht mag, muß es nicht nutzten, ich jedenfalls schätze den Wert der Echtzeit-Infos sehr und würde es auch nicht mit Sensationslust in Verbindung bringen – die ahnungslosen Passanten in der City gestern wollten z.B. nur wissen, was los ist und warum alles abgesperrt wurde.

  17. Twitter ganz toll.
    Liefert dem Geiselnehmer Informationen direkt von der Straße Live auf sein handy um immer im Bilde zu sein, was die Polizei macht.
    Zum Glück ist es gut ausgegangen. Soweit zumindest.

  18. Ganz ehrlich: Ich glaube nicht, dass ein Geiselnehmer noch Zeit hat, während er Leute in Schach hält, Twitter-Updates zu checken.

  19. Halleluja! Da wären wir wieder! Die neue Generation der Echtzeit-Journalisten. Haben wir gestern die Zeitungs- Radio und Fernsehfritzen wieder mal so richtig alt aussehen lassen. Selbst die Schuld wenn die immer solange brauchen. Der Bürger will schließlich informiert werden. „Ist da grad ein Schuss gefallen? Vielleicht! Vielleicht auch nicht!“. Zweifellos, solche Informationen braucht der Bürger um gut informiert zu sein.

    Soweit so schlecht und letztlich wie immer. Eine Netzgemeinde die sich mal wieder völlig überschätzt und nicht in der Lage ist über ihr eigenes Handeln zu reflektieren. Alles was der kritische Beobachter anmerkt wird mit Allgemeinplätzen wie „Müsst ja Twitter nicht benutzen“ oder „Nee der Geiselnehmer liest bestimmt kein Twitter“ abgetan.

    Wie kommen allen Ernstes Leute wie Konstantin Winkler dazu sich wie Gaffer zu gerieren und minutiös über Scharfschützen, ins Haus gehende SEK Beamten und ihrer Bewaffnung zu twittern? Reicht der Horizont solcher Menschen eigentlich noch weiter als bis zum Display vor ihnen?

    Lieber wird der moralische Zeigefinger gehoben. MrFanning2010 macht Werbung mit der Geiselnahme. Das kann man verwerflich finden aber im Vergleich zu den Tweets von Herrn Winkler und all den anderen Pseudo-Journalisten eben absolut unkritisch.

    Es sollte doch jedem normal denkenden Menschen klar sein das eine SEK Einsatzleitung mit Sicherheit kein Interesse daran hat das jemand in Echtzeit Bewegungen der Einsatzkräfte kommentiert. Wenn man so etwas einem angeblichen „Journalisten“ wie Herrn Winkler noch erklären muss dann läuft schon sehr viel falsch.

    Auch die Einsatzkräfte werden aus solchen Erfahrungen lernen und sollte zukünftig bei solchen Vorfällen mal einem der neuen „Journalisten“ das Smartphone eingezogen werden oder ein Platzverweis ausgesprochen werden dann Retweeten wir uns natürlich die Finger wund und starten gleich mal eine Online Petition zum Thema Meinungsfreiheit und Polizei Willkür.

    Daniel Große! Statt hier lediglich eine unreflektierte Zusammenfassung dieses unwürdigen Schauspiels zu liefern hätte ein Artikel mit mehr Tiefe gut getan. Glücklicherweise hat das aber schon Herr Stawowy für Sie übernommen.

    Das Medium Twitter steht und fällt mit der Kompetenz der Nutzer und gestern war ein ganz erbärmlicher Tag.

  20. Lieber Rene,

    aufgrund deiner scharfen Wortwahl werde ich als „Pseudo-Journalist“ oder auch „angeblicher Journalist“, der immerhin ein abgeschlossenes Volontariat in der Tasche hat, bei verschiendenen Radiosendern, landesweit wie auch öffentlich-rechtlich gearbeitet hat und arbeitet, zu deinen Äußerungen Stellung nehmen.

    Da du ein sehr korrekter Mensch zu sein scheinst, zunächst einmal eine Anmerkung: du verwendest Zitate, die so nicht genannt wurden. Zwischen „Der Täter nutzt bestimmt kein Twitter“ und „Ich kann mir nicht vorstellen, dass…“ ist ein kleiner, aber eben doch feiner Unterschied. Wer Journalisten kritisiert, selbst aber Zitate frei zusammenschreibt, sollte sich selbst hinterfragen.

    Zum Thema Selbstreflektion: Ich habe gestern Nacht noch viel darüber nachgedacht, ob der ein oder andere Tweet angebracht war oder nicht. Und ich bin der Meinung, dass die ein oder andere Kurznachricht vielleicht etwas zu viel des Guten war, zu detailliert. Generell darf es aber kein Tabu sein, zeitnah von einem solchen Ereignis berichten zu dürfen, weder in Ton oder Bild noch in Schrift. Das beinhaltet auch Nachrichten in 140 Zeichen. Ich habe lediglich geschrieben, was ich gesehen habe und versuchte dabei sachlich zu bleiben. Die Relevanz solcher Informationen steht auf einem anderen Blatt und wird subjektiv sicher unterschiedlich wahrgenommen.

    Mehr zu der Sache werde ich in Kürze an anderer Stelle schreiben.

  21. Pingback: Ein Blumenkübel geht um die Twelt | Schlatterblog

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