Falsche Wunder in schlimmen Katastrophen

Der Brückeneinsturz in Minneapolis ist zweifelsohne als schrecklich zu bezeichnen. Von mindestens vier Toten ist die Rede, 30 Menschen werden noch vermisst. Mitten in dieser Katastrophe gibt es – so schreiben heute diverse Zeitungen – aber auch ein Wunder. Ein Schulbus sei abgestürzt und auf den Trümmern im Fluss liegengeblieben.

bruecke_minnesota.jpgBILD-Autorin Katja Stumpp beispielsweise schreibt:

Mittendrin im Horror ein kleines Wunder. Ein Schulbus stürzte ab, blieb auf den Trümmern im Fluss stehen. Die 60 Kinder zwischen fünf und 14 Jahren konnten fast alle unverletzt gerettet werden.

Die LVZ druckt einen Korrespondentenbericht der dpa, der folgende Zeilen enthält:

Ungefähr die Hälfte der Autos versank im Fluss, die anderen blieben zum Teil beschädigt auf Brückentrümmern im Fluss stehen. Dazu zählte ein Schulbus mit rund 60 Kindern…

Welt.de schreibt mit Material von Reuters, AP und SA:

Glück im Unglück hatten die 59 Insassen eines Schulbusses, die vom Schwimmen kamen. Der Bus landete auf den Reifen im Fluss, die Kinder und Erwachsenen konnten sich blutend und mit blauen Flecken an Land retten.

Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Was mich daran stört? Nun, die Mär vom Bus, der auf Trümmern im Wasser zum Stehen gekommen ist, stimmt nicht. Oder interpretiere ich die Luftaufnahme, die heute in der LVZ (siehe Scan) zu sehen ist, falsch? Dort sieht man das ganze Ausmaß. Und eben auch, dass auf dem ersten eingestürzten Brückenteil ein großer gelber Bus steht. Dieses Brückenteil liegt aber nicht im Wasser, sondern auf einer Straße, die ursprünglich unter der Brücke entlangführte. Auf dem Brückenteil, das tatsächlich im Wasser liegt, ist kein Bus zu sehen. Und es ist unwahrscheinlich, dass er unterging und auf den Fotos nicht mehr zu sehen ist – wo doch viele Quellen so übereinstimmend berichten, dass er auf Trümmern oder Reifen landete.

Nun reicht dieses Drama sicher aus und ich wünsche natürlich niemandem, dass er mit seinem Auto oder gefangen in einem Bus ins Wasser stürzt. Die Frage ist aber, warum solche Sätze dann in die Agenturen und schließlich in die Zeitung finden? Schaut sich der Redakteur die Fotos nicht an? Sehen die Kollegen nicht, was für mich auf den ersten Blick ersichtlich ist? Dass der Bus sich nichtmal in der Nähe des Wassers befand? Wird hier absichtlich eine „Happy-End-Geschichte“ in eine Katastrophe gemalt, um es „menscheln“ zu lassen? Ich weiß es nicht. Ich finde es nur merkwürdig.