Wir hatten Lust auf Radio

Zu meinen zweifelhaften Vorlieben beziehungsweise Hobbys gehört es, nahezu jeden Hörschnipsel von deutschen Radiostationen zu sammeln. Also Jingles, Eigenwerbung, Melodien und dergleichen. Mittlerweile hat sich ein recht großes Archiv angesammelt, das durch die Mithilfe netter Radiomenschen und durch das Durchforsten von radioforen.de auch ordentlich anwächst. Und manchmal, ja manchmal hör ich die Samples sogar durch. Zufällig eher, denn im Winamp, das prinzipiell auf Shuffle steht, werden diese Schnipsel mit in die Playliste gewürfelt.

Was ich dann zu hören bekomme, lässt mich teils schmunzeln. Wie soeben ein Sketch von Energy Berlin: „Haste schon gehört, der Wickert hört jetzt bei den Tagesthemen auf.“ – „Ja, und was macht er dann?“ – „Er moderiert ein Gartenmagazin“ – „Und wie heißt das?“ – „Na, Chrysanthemen!“. Jeder lacht über andere Dinge, schon klar.

Aber nicht alles ist nur witzig, sondern auch schön und weckt Erinnerungen. Wie der Stationsong von NDR2. „Wir haben Lust auf Radio“ hieß der und war von der Gruppe Leinemann. Im Song wurden auf wirklich geschickte und unterhaltsame Weise die verschiedenen Shows, die über den Tag liefen, verarbeitet. Erinnerungen weckt der Song darum, weil wir damals, mutmaßlich 1989, im Urlaub NDR2 hörten. In Kelbra, im Bungalow meiner Tante. Vor der Wende. Dieser Song ging mir von da an nicht mehr aus dem Sinn und ich begann, NDR2 zu lieben. Ein ähnliches Erlebnis war es dann, nach der Wende MDR Life zu hören. Das war der erste Sender, der auch bei uns ein Radioprogramm produzierte, das einfach Spaß machte und bei dem man merkte, die Leute dort haben auch Spaß dabei. Der Werdegang ist bekannt. Life heißt jetzt Jump. Hüpf, hüpf, hurra.

Versuche, einen Stationsong zu etablieren, gab es auch bei den mitteldeutschen Sendern. Radio PSR war am Anfang unter Jürgen Vogel recht aktiv, verpfuschte diverse 80er und 90er und war nicht wirklich erfolgreich damit. Der Song von Radio SAW war mir zu aufdringlich, der von MDR Life („Drei Länder und ein Sender“) war mir zu schmalzig.

Neue Begeisterung für Radio löste dann bei mir Energy Sachsen in seiner Anfangszeit aus. Auf nächtelanges Telefonieren mit Moderatoren, die jetzt teils gute Freunde, teils gute Bekannte sind, folgte die Bewerbung als Praktikant – neben meiner Ausbildung auf dem Bau. Erlebnisse wie ein Fahrradsprint bei strömendem Regen von Volkmarsdorf bis ins Plagwitzer Studio, nur weil man hörte, dass der andere Praktikant nicht erschienen war, sind heute noch präsent. Und natürlich der legendäre Silvestercountdown, der zu akutem Schlafmangel führte, was aber egal war. Schließlich war es für einen guten Zweck. Für Radio.

Was ich mich bei all dieser Sentimentalität gerade frage ist, wie wohl ein solcher Stationsong heute klingen würde und welche Inhalte er hätte. „Zeig mir Deinen Schein, es könnte ja der richt’ge sein“? Oder: „Wir sind blau, unsere Hits sind es auch“? Oder: „Wir schmeißen Dich aus dem Bett – von Aaaa bis Zett„? Oder: „Dies ist Klaus, der zieht Dir die Socken aus“?

Alles nur Spaß, liebe Kollegen! Ich will ja auch gar nicht so weit gehen und behaupten, Sachsens Radiomacher hätten die „Lust am Radio“ verloren. Zeiten ändern sich nunmal, die Hörer sowieso. Früher kamen die Hörer noch in den Sender gerannt, brachten Kuchen vorbei, unterhielten sich mit den Moderatoren. Passiert heute kaum noch, maximal bei organisierten Führungen von Schülergruppen.

Mir fehlt momentan ein echter Einschaltimpuls. Etwas, das mich wirklich dazu animiert, jetzt Sender XYZ zu hören. Alles klingt ähnlich, überall läuft die gleiche Musik, die Gewinnspiele werden immer mehr und immer absurder. Wirkliche Highlights am Morgen sind maximal die Comedy-Elemente der Sender. Der Hörer – und das ist das schlimmste dabei – bleibt immer öfter auf der Strecke. Und schiebt im Auto immer öfter eine CD rein. Oder lässt zu Hause im Winamp alte Jingles und Elemente in die Playlist shuffeln.

Wie eben den NDR2-Stationsong „Lust auf Radio“. Viel Spaß dabei und entschuldigt die schlechte Qualität. Wer den Song in einer besseren Version hat, möge ihn mir bitte mailen.

Ein Gedanke zu „Wir hatten Lust auf Radio

  1. Ja man schwelkt gern in der Vergangenheit 🙂

    Ich finde es interessant, wenn Leute an bestimmte Songs Erinnerungen knüpfen.

    Und Jump bringt glaub ich keinen mehr zum Hüpfen.. maximal nur noch zum Radio damit man die Frequenz ändert 😉

Kommentare sind geschlossen.