Nachfolgender Text erschien am 21. Juni 2008 in der Leipziger Volkszeitung. 15 Jahre nach der Gründung von Energy Sachsen. Glückwunsch in die Marktgalerie und ein freundliches „Hallo“ an die Ex-Kollegen und Noch-Mitarbeiter.
Heute vor 15 Jahren startete Energy Sachsen sein Programm in Leipzig, Dresden und Chemnitz. Punkt 12 Uhr sprach am 21. Juni 1993 Moderator Bert Braito als erster zu den Hörern. Danach erklang „Somebody to love“ von Queen. Ein Programm, das „Wirbel machen wird“, versprach Programmchef Adam Hahne. Drei Monate später wechselte er zu delta Radio in Kiel und Wortchef Arno Köster rückte nach. Dieser erinnert sich gut an die Anfänge: „Es war abenteuerlich. Eine Woche vor Sendestart wussten wir nicht, womit wir senden werden. Dann kam gebrauchte Technik vom Lizenzgeber NRJ aus Frankreich, die in Windeseile installiert wurde. Parallel bauten wir alle Tische auf und schlossen Computer an.“ Auch Diana Holtorff, die heute bei R.SA sendet, war eine der ersten. Ihre Zeit beim Sender beschreibt sie als „puren Patriotismus. Es war ein großes Abenteuer, ein bisschen wie Zeltlager und nichts zum reich werden.“
Köster setzte auf Personalities, bewies mit Spezialsendungen wie „Nur Deutsch“ und „Kommunikation und Krach“ die eigene Musikkompetenz. Die Leipziger DJs Raik E und Milk schufen die Techno-Sendung „Stunde Null“, Olaf Schliebe machte sich als O-Punkt S-Punkt mit der Chartshow „High Energy“ einen Namen und zahlreiche Fans. Die Partysendung „ExtraBrait-O“ mit Bert Braito wurde etabliert und sendete in direkter Konkurrenz zu „Maxi-Mal“ auf den Sächsischen Lokalradios (Radio Leipzig, Dresden usw.) Letztere Show existiert noch heute. Seinerzeit gründete sich auch das Comedyduo Stefan Barth und Tilo Liebsch, das perfekt harmonierte. Später auch bei MDR life. Barth ist heute Radioberater und Comedyautor. Rückblickend sagt er: „Wir waren damals alle sehr kreativ. Ich glaube, das lag auch am geringen Budget.“ Doch trotz aller Kreativität und dem Silvestercountdown von 1995 auf 1996 mit nie dagewesener Hörerbeteiligung – in Quoten schlug sich das nicht nieder. Weder zur Mediaanalyse (MA) 1995 noch ein Jahr später konnten Zahlen nachgewiesen werden. In der Konsequenz musste Arno Köster gehen. Mit Nachfolger Markus Käkenmeister konnten sich nur wenige anfreunden. „Er war Verwalter statt Gestalter“, so Jan Schlegel, der 1996 mit Kollege Oliver Döhring in der Morningshow den „Kleinen Nils“ entwickelte. Heute läuft das Format bundesweit im Radio.
Die Nacht vom 1. zum 2. Januar 1997 war rabenschwarz: Der Sender in der Leipziger Nonnenstraße brannte. Nach einer Übergangszeit, in der aus Dresden gefunkt wurde, begann am 17. Februar in den ehemaligen Buntgarnwerken eine neue Ära mit moderner Digitaltechnik. Das Jahr 2000 läutete den „großen Wechsel“ ein, eine Aktion, die endgültig für mehr Quote sorgen sollte. Friederike Lippold alias Freddy ging auf Sendung – entdeckt vom damaligen Programmchef Markus Heinker. Am Freitag, den 13. Juli 2001 gab Frank Wilkat als neuer Mann auf diesem Posten einen beeindruckenden Einstand: Er entließ neun Mitarbeiter. Am Montag darauf fingen zwölf neue Praktikanten an. „Das Radio verliert an Emotionalität“, kommentierte damals der gekündigte Moderator Alex Huth die Entscheidung Wilkats. 2002 wurde Anja Schulze die erste weibliche Programmverantwortliche, 2004 hatte Energy sieben Prozent mehr Hörer. Zwei Jahre später musste sie trotzdem gehen.
Ende 2006 zog der Sender ins Medienzentrum zur PSR-Mediengruppe. Seit April dieses Jahres ist Thomas Wetzel Programmchef. Dieser will wieder auf Personalities setzen, die Marke Freddy ausbauen und Energy zum Kultstatus verhelfen. Ein Ziel, das bei derzeitig 57000 Hörern in der Stunde schwer werden dürfte.
Update: Arno Köster ergänzt in seinem Blog:
Anmerkung: Richtig ist, dass es 1995 und 1996 keine MA-Zahlen gab. Dies war jedoch der Tatsache geschuldet, dass die Analyse für das Bundesland Sachsen durchgeführt wurde. Energy hatte damals nur Stationen in Leipzig, Dresden und Chemnitz, wodurch schon die für die Ausweisung nötige “Fallzahl” nicht erreicht wurde. Von daher wurde erstmals 1994 und dann auch 1995 – in Kooperation mit der SLP – eine eigene Umfrage durchgeführt – damals unter der Bezeichnung “EMA Ost”. Darin wurde Energy Sachsen in den drei großen sächsischen Städten als Marktführer bei den 14 -29jährigen ausgewiesen. Insofern darf spekuliert werden, dass der Sender Mitte der 90er mehr Hörer hatte als heute …(ak)
Nachtrag/ Ergänzung: Energy Sachsen hatte in der MA im Juni 2000 110.000 Hörer Stundenreichweite. Eine bessere Reichweite hat dieser Sender seither nie wieder erreicht. Die Gründe für den “Großen Wechsel” waren andere und können vor allem von Markus Heinker sehr plausibel hergeleitet und dargelegt werden. Ich selbst vermag das nicht, da ich Energy im April 2000 verlassen habe. Zudem: man kann über Markus Käkenmeister denken was und wie man will, der Erfolg Ende der 90er ist allerdings auch und vor allem sein Verdienst. Zumindest hat er bestimmte Basics überhaupt erst etabliert (Marktforschung, Musikredaktion) oder er stand kreativen Ideen nicht im Wege, wenn diese vernünftig begründbar und monetär sinnvol waren, ohne sich dabei von privaten Vorlieben leiten zu lassen. Soviel Freiheit für Kreativität wie unter Markus Käkenmeisters Agide von 96 bis 2000 habe ich nie wieder irgenwo vorgefunden. Das Posting von Arno Köster kann ich so bei aller persönlichen Sympatie nicht unkommentiert lassen. Im Gegenteil: ich hab Energy bis 1996 als ziemlich planlos vor sich hinprobierendes Versuchslabor empfunden und vorgefunden. Erinnert sei nur an das bizarre “Musik-durchschalten” während der Lokalzeiten. Es hat viel Mühe und Nerven gekostet, sich gegen dieses offensichtlich konzeptlose Wirrwar zu stemmen, was wir dann auch erfolgreich in den Lokalstationen getan haben. Und um dem Totschlag-Argument “keine Kohle” gleich vorzubeugen – wir hatten auch nach Arnos Abgang nicht eine Mark mehr. Allerdings 3x mehr Hörer.
PS.: Die EMA 95 ergab übrigens für ganz Sachsen 30.000 Hörer.
Zum Kommentar von Micha Kutschke habe ich in seinem Blog nachfolgende Anmerkungen gepostet:
„Das stimmt. Es war ein Versuchlabor, allerdings nicht planlos, sondern eher hin und hergerissen zwischen den Interessen lokaler Gesellschafter in Dresden, Chemnitz, Leipzig und der Politik der Franzosen auf Netzwerkebene. Letztere haben immer versucht die einen gegen die anderen auszuspielen, was das Arbeiten auf “Leitungsebene” nicht vereinfacht hat …
Trotzdem war in den Lokalzeiten damals mehr möglich als danach. Ich erinnere mich (inzwischen gern und schmunzelnd) an meine Auseinandersetzungen mit H.P., da ging es immer mehr um Inhalte und nicht – wie heute bei Radios so oft – um Verpackungen und Layouts.
Käkenmeister musste den Übergang managen – nicht mehr und nicht weniger (der Job war schon hart genug :-)). Die Mehrheiten hatten sich verändert … und natürlich gab es mehr Kohle dann – ich erinnere nur an die technische Aufrüstung, auf einmal ging alles – Computergestütze Systeme, etc. – andere Möglichkeiten Werbung abzufahren, etc. … Marktforschung und andere Tools wurden ihm jetzt gern und mit Handkuss von den Franzosen zur Verfügung gestellt, jetzt hatten sie ja den lang ersehnten Durchgriff … Mehr darf und will ich dazu nicht sagen. Jan Schlegel hat in dem zitierten Artikel genug dazu gesagt.
Aber, die Lokalstudios haben schon immer alles etwas “verklärter” gesehen, besonders die Dresdner 🙂 …
Leider hast Du hier kein Impressum angegeben, sodass ich nur aufgrund der Parteien-Links spekulieren kann, wer Du bist. Damit weiß ich, dass sich Dein Eintrag relativiert, da Du erst später und auch nicht in leitender Funktion zu Energy gekommen bist … Die ganz frühe Zeit und meine “Probleme” mit Dresden kennst Du nur vom berühmten “Hörensagen”.
Nachdem H.P. weg war, wurde auch in Dresden alles ganz anders, besonders in Sachen “Menschenführung”. Da fragste am Besten mal Deine ehemaligen Mitarbeiter :-))
Dass das Radio unter nrj-Führung “perfekter” wurde, steht doch wohl ausser Zweifel, nichts anderes war von einem der größten Radiokonzerne Europas zu erwarten …. ebenso der Anstieg der Quoten nach meinem Abgang – klar: weniger Inhalt, mehr Form Verpackung und Durchhörbarkeit. Das war anfangs nicht meine und auch nicht die Philosophie der Gesellschaftermehrheit bis 96, das Radio ist mit ganz anderen Ambitionen gestartet und dafür bin ich auch geholt worden …. nach deren Beschlüssen und Maßgaben musste ich mich richten – den Großteil der Entscheidungen habe ich 100%tig mitgetragen. Für einen Dudelsender von Anfang an, wäre ich nicht zu haben gewesen (Adam Hahne übrigens auch nicht und wahrscheinlich auch die Hälfte der Dresdner Kollegen nicht!).
Die Auseinandersetzungen mit der “Mutter” in Paris waren zu meiner Zeit immer inhaltlich, nie fachlich (unter uns: die haben mir sogar angeboten, den Laden unter gewissen Umständen nach 96 weiter zu leiten. Das kam aber für mich nicht in Frage) – Die Mittel, die Käki bekommen hat, wurden uns vorenthalten – aus taktischen Gründen. Ich fand sie aber auch nicht wirklich wichtig. Zu der Zeit ging es um andere Dinge (s.o.).
Und – natürlich: die EMA Ost wies 30 000 Hörer auf, in der Gruppe der 14 bis 49jährigen. In meinem Post ist aber von der damals für Energy relevanten Zielgruppe die Rede (die entsprechenden Unterlagen kannste bei mir einsehen) … Mit Deiner Behauptung tust Du also allen ehemaligen Kollegen unrecht, die vor Allem in den Jahren 93 und 94 dazu beigetragen haben, dass es Deinen Arbeitsplatz später überhaupt noch gab …“
Die hier genannte Zahl für die EMA Ost 95 bezieht sich auf die Gesamtzielgruppe der 14 bis 49jährigen. In meinem Posting war aber die Rede von der Zielgruppe der 14 bis 29jährigen.
Überhaupt interessant, was Micha Kutschke so anzumerken hat. Unser kleiner Austausch findet sich hier:
http://farbfernsehen.tv/?p=31