Spielemusik in bunter Bühnenshow

Video Games Live zur Games Convention erstmals in Deutschland / Puristen beklagen Verlust des Kulturanspruchs

Seit 2003 wird die Leipziger Computer- und Videospielmesse Games Convention (GC) mit einem Gewandhauskonzert der besonderen Art eröffnet: Melodien bekannter Computerspiele erklingen im orchestralen Gewand, zunächst vom Tschechischen Nationalen Symphonieorchester gespielt, ab 2004 vom Filmharmonic Orchestra aus Prag. In diesem Jahr nun soll es anders werden. Statt ins Gewandhaus sollen die Fans neu arrangierter digitaler Klänge in die Arena. Zu einer Mischung aus Orchester, Playback und Laser. Klassikliebhaber rümpfen die Nase – der Zielgruppe aber könnte es gefallen.


„Das Eröffnungskonzert der Games Convention ist tot“. Das Urteil, das Christoph Winkler auf dem Spiele-Weblog d-frag.de Anfang des Jahres gab, war hart. Anlass war die Ankündigung des amerikanischen Veranstalters Video Games Live (VGL), seine Show zur GC in der Arena Leipzig zeigen zu wollen – und damit zum ersten Mal in Deutschland. Eine Show, die für Puristen ein Grauen sein muss. Zu groß sei der Veranstaltungsort, um dort ein sinfonisches Konzert veranstalten zu können. Auch werde zu sehr auf optische Effekte wert gelegt. „Die Musik“, so Winkler, „ist nur ein kleines Rädchen im gewaltigen Getriebe einer Großveranstaltung.“ Der kulturelle Anspruch des Konzerts sei dahin, urteilten die Leser des Blogs in den Kommentaren. Und auch auf den Websites der einschlägigen Spielemagazine sind kritische Stimmen zu lesen.

Sie sind nicht die einzigen. Thomas Böcker, Organisator der bisherigen Eröffnungskonzerte im Gewandhaus, urteilt – naturgemäß – ähnlich: „Als wir 2003 mit den Vorbereitungen für das erste Spielemusikkonzert außerhalb Japans begannen, hatten wir den Anspruch, Spielesoundtracks als Teil der Kultur herauszustellen. Und so war auch die Intention der Messe, zumindest hab’ ich das so verstanden“.

Das stimmt laut Peggy Schönbeck, Projektdirektorin der GC, auch soweit. Der Wert der Eröffnungsveranstaltung habe sich 2007 aber gewandelt. „Die ersten Jahre galt das Konzert nicht nur den Fans, sondern war gleichzeitig auch der offizielle Empfang für hochrangige Persönlichkeiten, wie Aussteller und Politiker. Im vergangenen Jahr war das Konzert nur für die Fans, der Galaempfang fand parallel auf dem Messegelände statt.“ Die Ansprache an zwei Zielgruppen gebe es auch in diesem Jahr nicht mehr, was Spielräume lasse für eine Weiterentwicklung: „Wir wollten etwas neues ausprobieren und zeigen, dass wir durchaus in der Lage sind, das Rahmenprogramm aufzuwerten. Außerdem wollten wir auf die gestiegene Nachfrage reagieren – denn das Gewandhaus war ja immer sehr schnell ausverkauft.“ Und Schönbeck bestreitet nicht, dass der kulturelle Anspruch in diesem Jahr ein wenig zurückgestellt wird. „Wir wollten in den ersten Jahren Politik und Wirtschaft vermitteln, Computerspiele als Kulturgut zu verstehen. Jetzt ist es eine reine Publikumsveranstaltung.“

Dabei hat Video Games Live grundsätzlich den Anspruch, auch Kunst zu sein. „Es ist ein Event, das von der Videospielindustrie initiiert wurde und helfen soll, Kultur und Kunst zu fördern. Wir lassen ein Orchester spielen und schlagen mit spezieller Beleuchtung und einer Bühnenshow eine Brücke zur Unterhaltung“, sagt Tommy Tallarico, der Mann hinter der Veranstaltung. Was Musikliebhaber stören könnte, ist das Playback, auf das nicht verzichtet werden soll. „VGL ist zu 95 Prozent live. Während einiger Abschnitte, etwa bei Halo, Metal Gear Solid und Tron, werden wir aber Trommeln und Synthesizer-Spuren einspielen, um den Gesamteindruck beim Publikum zu heben. In der Realität ist Videospielmusik ja auch eine Mischung aus unterschiedlichen Stilen und Techniken und keine traditionelle Sinfonie.“

Thomas Böcker ist mit der Begründung nicht sonderlich zufrieden: „Durch das Playback und die Synchronität zu eingespielten Bildern wird dem Orchester die Freiheit genommen.“ Aber er ergänzt: „Ich kann mir schon vorstellen, dass es Leute gibt, denen die Show gefallen wird. Vielleicht passt so eine bunte, lustige Präsentation auch gut zur GC. Es ist nur schade, dass dafür eine respektierte, weltweit einmalige Konzertreihe sterben musste.“

In Leipzig wird am 20. August die Neue Philharmonie Frankfurt spielen, Karten sind noch erhältlich unter Tel. 01805 218150, www.deag.de

Erschien am 8. Juli 2008 in der Leipziger Volkszeitung. Eine Nachbetrachtung des Konzerts in Glasgow erscheint etwa Anfang August.

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