Wo sind all die Hörer hin?

Die heutige Bekanntgabe der Radio-MA-Zahlen lässt zumindest in Sachsen aufhorchen, denn die Verluste der Sender sind so massiv wie schon lange nicht mehr. Radio PSR verliert 20.000 Hörer, die Lokalradios verlieren 22.000 Hörer, Hitradio RTL Sachsen verliert gar 41.000 Hörer, Energy 7.000 Hörer. Das tut weh, vor allem weil die Sommer-MA die preisbildende MA ist, also die, nach der die Werbezeitenpreise festgelegt werden. Gewinner ist R.SA mit 5.000 Hörern mehr. Der gebührenfinanzierte Sender MDR 1 Radio Sachsen gewinnt 27.000 Hörer.

Und genau bei MDR 1 Radio Sachsen beginnt das Merkwürdige. Wie kommt der hohe Gewinn zustande? Ist plötzlich die Mehrheit der Stadtradio-Hörer zur volksmusikschunkelnden GEZ-Konkurrenz gewandert? Hören Sachsen, die vorher Hitradio RTL mochten, plötzlich nur MDR 1? Sind Steffen-Lukas-Fans plötzlich abgeschreckt und hören statt PSR auf einmal MDR? Wohl eher nicht.

Eine Mutmaßung: Ist es nicht möglich, dass in der Abfrage etwas nicht stimmt? Dass womöglich die Zahlen falsch sind? Ist es nicht denkbar, dass die Mehrheit „Radio Sachsen“ sagte, aber eigentlich „RTL Sachsen“ meinte? Oder dass gar viele Daten einfach nicht eingerechnet wurden? Wie sonst ist zu erklären, dass MDR 1 Radio Sachsen in der Zielgruppe der 14- bis 19-Jährigen in Sachsen eine 269-prozentige Steigerung von 3.000 auf 13.000 Hörer verzeichnet? Haben die Teenager plötzlich aufgehört, selbst zu denken? Oder leben die plötzlich alle bei Oma und Opa und müssen einfach MDR 1 hören?

Dass die Hördauer zurückgeht, ist normal. Dass etablierte Sender wie Radio PSR aber auf einmal 20.000 Hörer verlieren, nachdem sie bei der letzten MA noch 1000 gewannen, ist nicht nachvollziehbar. Bei Hitradio RTL Sachsen ist es noch gravierender. Bei der letzten MA gewann der Sender 23.000 Hörer dazu – und soll nun fast das Doppelte verloren haben? Irgendwas stimmt doch da nicht.

In den Funkhäusern in Leipzig und Dresden herrscht Ratlosigkeit. PSR-Sprecher Nico Nickel sagt beispielsweise: „Wir schauen mit großer Sorge und Verwunderung auf 70.000 verlorene Hörer im Gesamtmarkt Sachsen, nachdem die sächsischen Sender im Frühjahr 50.000 Hörer gewinnen konnten. Erklären können wir uns diese Entwicklung nicht.“ Und Uwe Schneider, Programmchef von Hitradio RTL Sachsen, sagte gegenüber Radiowoche: „Im März belegten wir mit 140 000 Hörern pro Durchschnittsstunde einen Spitzenplatz in der sächsischen Radiolandschaft und heute gehören wir, ohne grundlegende Veränderungen im Programm vorgenommen zu haben, zu den Verlierern. Das sorgt bei uns für große Verwunderung, denn unsere eigene Marktforschung, deren Methoden mit der Media-Analyse identisch sind, hat diese Reichweitenveränderungen nicht angezeigt. Auch liegen im sächsischen Radiomarkt generell andere Marktforschungsergebnisse vor. Wir haben deshalb die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse gebeten, die vorliegenden Ergebnisse nach allen Kriterien noch einmal zu prüfen.“

Auch Inge Seibel-Müller von hoerfunker.de fragt sich über Twitter: „Kann das stimmen?„. Ebenso meint Tim Natzschka: „…wird wohl Rechenfehler gegeben haben.

Die Methodik der MA ist seit Jahren umstritten. Wenn sie allerdings wirklich Fehler produzieren sollte, wird es Zeit, den Abfragemechanismus zu überdenken. So lange allerdings Sender wie Antenne Bayern auf diese Weise über eine Million Hörer generieren, wird der Druck auf die ag.ma wohl nicht kräftg genug ausfallen….

Uodate 15.7.: Wie ich jetzt erst sah, hat auch Horst Müller von blogmedien gestern einen Kommentar zur „Wackel-Währung“ MA geschrieben.

8 Gedanken zu „Wo sind all die Hörer hin?

  1. Ich bin jedenfalls eine Hörerin die auch nicht mehr dort auftaucht 🙂 Da ich doch lieber meine eigene Zusammenstellung höre oder am Abend den hier schon erwähnten Matuschke.

    Die Sender in Sachsen sind fast alle grottig geworden. MDR1 ist nicht mein Fall. RSA spielt zwar an sich gute Musik, aber ist mir auch zu schnarchig mit den Böfis. RTL und PSR dudeln auch immer schlimmer vor sich hin und Jump höre ich aus Protest nicht, weil ich sonst nur in die Versuchung käme mich bei der GEZ abzumelden.

    Zum Glück bieten ja unserer Nachbarbundesländer mit Radio Eins und am Abend Bayern3 noch sinnvolle Alternativen.

  2. Vielleicht muss man hier auch eine andere Frage stellen: Waren eventuell die Zahlen im Frühjahr schon nicht korrekt? Dort kamen plötzlich 50.000 Hörer aus dem nichts dazu, jetzt sind sie wieder weg. Das lässt doch eher darauf schließen, dass im Frühjahr der Fehler lag, der jetzt wieder korrigiert wurde. Letztlich ist es egal. Selbst wenn damals oder jetzt ein Fehler vorlag/vorliegt, die ag.ma würde das nie zugeben, weil sie sonst Tür und Tor öffnen würde für entsprechende Spekulationen, sobald ein Sender mit seinem Ergebnis nicht zufrieden ist. Insofern: Tränen trocknen in Sachsen. Im Frühjahr wird die Welt schon wieder besser aussehen – dafür hat die ag.ma noch immer gesorgt ….

  3. Dies ist entweder der endgültige Beweis dafür, dass NRJ und JUMP keine Sender für Jugendliche und junge Erwachsene sind sondern für Renter (siehe Zahlen der Hörer >50 Jahre) oder die Bestätigung dafür, dass die Erhebung totaler Mumpitz ist

  4. @UKWitz:

    Zur Frühjahrs MA 2009 I wurde die Grundgesamtheit verändert, also die Befragung wurde an die Demografie angepasst. Deshalb gab es einige Veränderungen und die Zahlen sind auch nicht 1:1 mit den aus den Vorjahren vergleichbar gewesen. Deshalb gab es da auch einige Überraschungen.

    Diese merkwürdiger Hörerabwanderung jetzt von MA 2009 I zu MA 2009 II ist dagegen völlig unplausibel.

  5. @Horst

    Die Veränderung der Grundgesamtheit erfolgte bereits zur ma 2008 II (Einebziehung EU 10+) und nicht erst zur ma 2009 I. Diese erweiterten Gruppen wurden bereits in der Herbstwelle 2007 und der Frühjahrswelle 2008 erfasst und dann im August (der VÖ-Termin wurde nach hinten verschoben, weil die neue GG Probleme bei der Gewichtung verursachte) zur ma 2008 II erstmals verwendet. Insofern hätte diese Sprung schon dort stattfinden müssen. Ich bleibe also bei meiner Theorie!

  6. Mea culpa.

    Durch die Hintertür einen Fehler bei der Frühjahrswelle zu korrigieren würde die AGMA aber ad absurdum führen, damit würde sie ja jegliches Vertrauen zur Validität der Zahlen verlieren.

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